Kommentar:Abhängig vom Zufall

Lesezeit: 1 min

Da kann sich eine Gemeinde abmühen, wie sie will: Firmen zahlen da ihre Gewerbesteuer, wo es die Mutterkonzerne wollen

Von Isabel Meixner

Stellen Sie sich vor, ein nicht unerheblicher Teil Ihres Einkommens wäre abhängig von Ihren Arbeitskollegen. Sie könnten Ihr Bestes tun, sie bei Laune zu halten, sie unterstützen, ihnen Kuchen backen - sie wären dennoch nicht davor gefeit, dass ein Kollege die Füße hochlegt oder den Job wechselt. In etwa so verhält es sich für eine Kommune mit den Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Auch sie kann ihr Bestes getan haben, ein Gewerbegebiet ausgewiesen, die Infrastruktur gezahlt und mit einem niedrigen Hebesatz die Unternehmen angelockt haben. Im ungünstigsten Fall ist sie ihre Flächen los und hat keinen Cent mehr in der Tasche.

Die Gewerbesteuer ist abhängig davon, wo eine internationale Firma ihre Abgaben zahlt. Und sie ist abhängig von den Erträgen der Unternehmen, die wiederum von der Konjunktur abhängig sind. Das alles macht die Kalkulation für die Gemeinde zur Achterbahnfahrt. Dabei sind verlässliche Geldquellen für Kommunen ebenso wichtig wie für Privatpersonen: 55 Prozent aller öffentlichen Investitionen werden von den Gemeinden getätigt. Und die betreffen die Bürger oft unmittelbar: Die Kommunen bauen Kinderkrippen, neue Grund- und Mittelschulen, sanieren Straßen, unterhalten Hallenbäder, fördern Sportvereine, finanzieren Volkshochschulen und Musikschulen. Kurzum: Sie bezahlen ihre Pflichtaufgaben, aber auf freiwilliger Basis auch Angebote, die ohne Zuschuss der Gemeinde nicht existieren könnten und doch so wichtig für einen Ort sind. Gerät eine Kommune wegen wegfallender Gewerbesteuern in die Bredouille, sind es genau diese Zuschüsse, die im Zweifel gekürzt werden.

Gegen diese Berg- und Talfahrt kann die Gemeinde nichts machen. Aber die Politiker in Landtag und Bundestag: Sie müssen dafür Sorge tragen, dass Kommunen solide Geldquellen haben. Sie müssen international zum einen die Steuerschlupflöcher stopfen und Firmen dazu bringen, einen Teil ihres Gewinns am jeweiligen Standort zu versteuern. Und sie müssen die Gewerbesteuer in ihrer reinen Ertragsorientiertheit ändern. In anderen Ländern wird die Unternehmensabgabe längst nach dem Lohnniveau oder dem Wert eines Betriebs berechnet. Hierzulande ist das aber offenbar in weiter Ferne. Wie die verantwortlichen Politiker wohl reagieren würden, wenn sich ihr Gehalt nach obigem Beispiel zusammensetzt?

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: