Jubiläum im Alten Kino:Liebeserklärung

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Bräute, Hochzeitsplaner, eine Bande Höhlenmenschen und viele mehr kommen zur Geburtstagsfeier ins Alte Kino. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Mit einem furios inszenierten Theaterstück macht die Kleinkunstbühne zu ihrem 25. Geburtstag sich selbst und seinem Publikum ein Geschenk

Von Alexandra Leuthner, Ebersberg

Im Alten Kino kennt jeder jeden. Die Mädels vom Service sind mit der Tochter zur Schule gegangen, mit dem Chef ist man per "Du", die Jungs hinter der Bar haben hier immer schon in den Ferien gejobbt. Die Musik macht meist der Jerry und selbst der Mann von der Technik ist bekannt - allerspätestens seit er in weißem Bäckerkittel am Donnerstagabend auf der Bühne stand, als das Alte Kino mit einer furiosen Eigenproduktion seinen 25. Geburtstag feierte. Seit einem Vierteljahrhundert schmeißt das Team um Geschäftsführer Markus Bachmeier, das aus der ehemaligen Kabarettgruppe Gruppo di Valtorta hervorgegangen ist, das Alte Kino. Und nicht wenige von denen, die mitgefeiert haben, kommen schon genauso lang hierher und fühlen sich auf den Bistrostühlen im Halbdunkel so wohl wie auf der Wohnzimmercouch mit dem Ehegespons.

Eine große und haltbare Liebe also - und was lag da näher für Alexander Liegl, der das Stück zum Jubiläum geschrieben hat, als auf der Bühne eine Hochzeit zu inszenieren, unter dem Motto "Ehe-Liebe-Ewigkeit". Ein Motto, das Liegl auch gleich selbst als reichlich überspannter Hochzeitsplaner, neudeutsch Eventmanager, den Gästen nahebrachte. Dass die Sache von Anfang an aus dem Ruder lief, gab ihm die Gelegenheit, die Absurdität eines Berufsbilds vorzuführen, das Drehbuchschreiber schon zu diversen Hollywoodklamotten inspiriert hat. Mit viel Sprachwitz und Sätzen à la "So ein Mess ist normalerweise nicht unser Style" gibt er aber auch mit Genuss allen Möchtegerngroß-Anglizismen-Verdrehern einen mit. Klar, dass der "Weddingplaner" an seinem zutiefst bayerischen Gegenpart, dem "Hoazat-Bazi", scheitern muss, der mit einem Ebersberger Wappen-Eber hoch oben auf dem traditionellen Holzstock des Hochzeitladers und seltsamen Erzählungen von schottischen Ehefeierlichkeiten herum stümpert und zum geregelten Fortgang der Handlung nichts Sinnvolles beizutragen hat.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mit viel zu vielen Bräuten...

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

... muss sich der Hochzeitsplaner herumplagen.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hans Klaffl sitzt mit seinem Kontrabass in der Torte.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Steinzeitmenschen entern die Bühne.

Und so nehmen die Dinge ihren Lauf. Statt der Ebrachtaler Volksmusik singen die drei "Schnellen Forellen", die sich in schuppenglänzenden Hosen und mit einem Fisch auf dem Rücken in jede Szene drängen, gleich ob sie gefragt sind oder nicht. Als running Gag kitzeln sie schon mit ihrem bloßen Erscheinen irgendwann sämtliche Lachnerven. Der Chorleiter (Markus Bachmeier) hat seinen Hochzeitschor nicht im Griff; der sitzt lieber bei einer Sause und ist eigentlich auch gar kein Chor, sondern ein ehemaliger Bausparverein, weshalb er das Lied von der Dividende - gedichtet auf die Schlagermelodie "Tiritomba" - intoniert. Das hat zwar wenig mit Hochzeit zu tun, macht aber nichts, denn das Geschehen auf der Bühne wird noch viel chaotischer werden - schließlich sollten ja möglichst alle Mitarbeiter im Jubiläumsstück mitmischen dürfen

Während also das Brautpaar, das der "fesche Pfarrer" (Sebastian Winkler) eigentlich trauen sollte, verschollen bleibt, stürmt eine Horde Neandertaler auf die Bühne, ein Bäckermeister (Daniel Hitzke) liefert sich ein Wortduell mit einer sehr freundlichen Kundin (Karin Bachmeier), die einen "Suchmaschinenspringer mit Beischlafsüßung" kaufen will - also einen "Google-Hupf mit Puderzucker". Dann intoniert Jeremy Teigan mit seiner Band Laid Backs' Bakerman - logisch. Eine Menge niederes Volk aus dem 17. Jahrhundert, mit Schürzen und Häubchen angetan, gebiert die Idee, Ludwig XVI und Marie Antoinette von der Guillotine um einen Kopf zu kürzen, während der König selbst verordnet, das Weißbrot länger zu machen, damit es besser auf den Sattel seines Fahrrads passt. Neben Baguette erfindet er auch noch das Gelbe Trikot, doch Einzelheiten hierzu würden zu weit führen.

Gundi Voith singt zu Jerry Teigans Hochzeitswalzer. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Zwischendurch laufen als Einspieler kleine filmische Interviews über eine Leinwand, in denen mehr oder weniger zufällig ausgewählte Ebersberger zu ihrem Traumpartner befragt werden. Zu Peinlichkeiten kommt es nicht erst, als Bürgermeister Walter Brilmayer zugibt, dass sein Traumpartner die Stadt Grafing ist. Das gehört eben so zu den versteckten Fouls des abenteuerlichen Skripts wie das ungewollte Outing des bayerischen Hochzeitsladers als schwuler Ehemann eines Schotten oder die Tatsache, dass der nicht nur fesche sondern auch "wuschige" Pfarrer schließlich sich selbst mit seiner Ex (wunderbar zynisch: Marlen Reichert) traut. Gelegenheit für Liegl, ironisch an jene Zeiten zu erinnern, als das Kabarett "Fernrohr" im Alten Kino sein Programm "Geile Messe" spielte und Ebersberger Katholiken gegen sich aufbrachte.

Zu guter Letzt entdeckt die epochenüberspannende Partymeute Hans Klaffl nebst Kontrabass mittels einer per Gartenschlauch durchgeführten Endoskopie in der Hochzeitstorte - jenen Klaffl, der dafür sorgte, dass der Chor wirklich viel, viel besser sang als eine Bausparverein. Regisseurin Gabi Rothmüller war es, die das ganze Theater mit seinen Tanz- und Musikeinlagen gekonnt und liebevoll in Szene gesetzt hat. Zwischen 45 und 55 Menschen - "wir wissen es selbst nicht so genau", (Bachmeier)- tanzten, sangen und spielten auf der Kinobühne - und es war auch ihre Begeisterung die den Abend zu einem höchst vergnüglichen machte.

Chorleiter Bachmeier wird ständig mit dem Hausherrn verwechselt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Stück wird am Donnerstag, 12.Oktober, um 20.30 Uhr noch einmal aufgeführt.

© SZ vom 07.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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