Kirchseeon:Wer einen Schnaps will, muss singen

Maria und Frank Senftleben aus Kirchseeon bemühen sich in der Deutsch-Schwedischen Vereinigung mit Festen, Ausflügen und anderen Veranstaltungen um die Völkerverständigung. Am Samstag wird Mittsommer gefeiert

Von Rita Baedeker, Kirchseeon

Eines werden die Mitglieder der Deutsch-Schwedischen Vereinigung München (DSV) gewiss nicht tun, wenn sie im Herbst an einer Brauereiführung in Erding teilnehmen: Sie werden auf keinen Fall den sogenannten "Schwedentrunk" zu sich nehmen, einen Cocktail aus Jauche und Wasser, mit dem Söldner im Dreißigjährigen Krieg Menschen gefoltert haben. "Wollen wir mal hoffen, dass die Untaten der schwedischen Truppen vergessen sind, wenn wir in Erding ankommen", heißt es im "Bavariavikingen" genannten Mitteilungsblatt des Vereins, Sommerausgabe 2017. Lieber bleibe man dann doch beim Weißbier.

Öl, wie Bier auf schwedisch heißt, trinkt man hier wie dort gerne. Auch sprachlich liegen die Völker oft gar nicht so weit auseinander. Dem Knödel klanglich eng verwandt ist das schöne Wort "Kroppkaka". Der "Fettisdag", das ist der Faschingsdienstag, an dem es "Semlor", also Semmeln aus Hefeteig, Marzipan und Sahne gibt. Und "Valborg" heißt die Walpurgisnacht am 30. April, an dem Schwedens König Carl XVI. Gustaf Geburtstag feiert. Da gibt es bei Familie Senftleben in Kirchseeon Erbsensuppe: gelb, nicht grün. Wenige Minuten mit Frank Senftleben, dem Vorsitzenden der DSV, und seiner aus Lidköping in der Provinz Västergötland am Vänernsee stammenden Frau Maria genügen, und man ist im Norden angekommen, bei Luciafest und Mittsommer, Heringshappen, Trollen und geräuchertem Elch, bei Gesang und Tanz.

Die Vereinigung wurde 1978 von Mitarbeitern des schwedischen Konsulats und einigen Deutschen gegründet und hat aktuell um die 200 Mitglieder in und um München, zehn davon leben im Landkreis Ebersberg. Frank Senftleben, seit 2011 im Vorstand, arbeitet im Deutschen Patentamt, seine Frau gibt die Vereinszeitschrift heraus und ist als Übersetzerin tätig. "Kontakte zwischen Schweden und Deutschen pflegen, so lautet das Ziel der Vereinigung. Die Deutschen seien Schweden gegenüber sehr positiv eingestellt, sagt Senftleben. Das Interesse der Schweden für Deutschland sei hingegen eher gering. Die älteren Leute sprächen fast alle Deutsch, die jungen kaum. Aber die seien in Zeiten von Internet, Billigfliegern und sozialen Medien auch fast gar nicht zu gewinnen: Um schwedische Sitten mit Gleichgesinnten zu pflegen, bräuchten die keinen Verein mehr.

Ausstellung von Brynolf Wennerberg

Für den Maler Brynolf Wennerberg, der in seiner schwedischen Heimat nie so berühmt wurde wie hierzulande, haben die Senftlebens eine Ausstellung in Lidköping organisieren können.

(Foto: Kunstverein Bad Aibling/oh)

Dabei hat die DSV viel Schönes zu bieten. Ausflüge wie der nach Erding, Lesungen, Führungen, Feste, Lesezirkel, ein Stammtisch, Kulinarisches. Als nächstes wird am Samstag, 24. Juni, in der Kugler Alm in Oberhaching Mittsommer gefeiert. "Wir bauen die Mittsommerstange auf, das ist ein Kreuz aus zwei Balken. Am waagerechten Teil werden Blütenkränze befestigt. Wenn alles fertig ist, spiele ich auf meinem Akkordeon schwedische Sommerlieder", sagt Senftleben, der auch Mitglied des Zornedinger Jubilate-Chors ist und im Atrium der Christophorus-Kirche alljährlich ganz besondere Liederabende gibt.

Eines der Stücke, die er an Mittsommer gern spielt, ist "das von den kleinen Fröschen. Dazu hüpfen die Kinder auf dem Boden herum und quaken", erzählt er und lacht. Wenn die Kinder dann längst von Wikinger-Abenteuern träumen, feiern die Erwachsenen. Es erklingen schwedische Klassiker, etwa von Carl-Michael Bellman, dem berühmtesten Komponisten Schwedens. Dazu gibt es Kartoffeln mit saurer Sahne, Hering satt und Erdbeeren, die bis zum Mittsommer reif sein müssen, sonst gerät die Welt aus den Fugen.

Ein beliebter Brauch ist auch das Krebsessen. Verzehrt werden die Flusskrebse im Freien, Lampions werden angezündet, die Teilnehmer binden sich Lätzchen um und setzen Pappmützen auf. Wer einen Schnaps möchte, muss zuvor ein Lied singen. Ein Brauch, den die Bayern getrost übernehmen könnten, dies würde vielleicht den Pegel mancher Feste senken helfen. Überhaupt steht gemeinsames Singen - Allsång - im Norden hoch im Kurs.

Große kulturelle Differenzen gibt es im Verein, der früher auch Gerhard Polt sowie Gunther und Mirja Sachs zu seinen Mitgliedern zählte, offenbar nicht. "Schwierig wird es eigentlich nur für junge Eltern aus Schweden, wenn ihre Kinder hier in die Schule kommen", berichtet Maria Senftleben. "In Bayern ist die Schule nämlich viel anstrengender als bei uns. Und dann soll man Hefteinbände aus Kunststoff kaufen. Wozu? So etwas kennen wir nicht."

Frank Senftleben, Dt.-Schwedische Gesellschaft

Frank Senftleben ist der Vorsitzende der Deutsch-Schwedischen Gesellschaft München, seine Frau Maria stammt aus dem Norden.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Entdeckungsreisen gehören zum Programm der Vereinigung. Man trinkt schwedischen Heurigen in Krems und besucht das einzige Strindbergmuseum außerhalb Schwedens in Niederösterreich. Eine späte Würdigung ließen die Senftlebens einem Maler aus der Heimatstadt von Maria Senftleben zukommen: Brynolf Wennerberg, der seine letzten Lebensjahre - er starb 1951 - in Bad Aibling verbracht hat. Seine Porträts junger lächelnder Frauen, seine Plakate und Künstlerpostkarten sind hierzulande berühmt geworden. Allerdings nicht in seiner schwedischen Heimatstadt. Maria und Frank Senftleben ist es gelungen, eine Ausstellung in Lidköping zu organisieren, den Maler quasi seiner Heimat zurückzugeben.

Vereine wie die DSV gibt es mehrere in Deutschland. Der größte ist in Heidelberg, Geburtsort von Königin Silvia, Schirmherrin der Heidelberger. Zum 40-jährigen Bestehen der Münchner Vereinigung im kommenden Jahr sucht Frank Senftleben nun auch nach einem prominenten Paten oder einer Patin. Königlichen Geschlechts muss die Person nicht sein, aber beide Länder und Kulturen gut kennen und schätzen. Schade nur, dass Gerhard Polt kein Mitglied mehr ist.

Am Samstag, 24. Juni, findet das Mittsommerfest der Deutsch-Schwedischen Vereinigung auf der Kugler Alm in Oberhaching statt, Beginn ist um 16 Uhr. Am 25. Juni, gibt es im Botanischen Garten eine Chor-Matinee mit dem Schwedischen Chor München, Beginn ist um 11.30 Uhr, am Dienstag, 11. Juli, ist Stammtisch der DSV im Hofbräukeller am Wiener Platz, bei schönem Wetter im Biergarten, Beginn ist um 18.30 Uhr. Die Adresse der Vereins-Homepage lautet: www.d-s-v-m.de, die E-Mail-Adresse: vorstand@d-s-v-m.de. Einen Abend mit Wiener Liedern veranstaltet Frank Senftleben am Sonntag, 9. Juli, um 18 Uhr im Saal der Zornedinger Christophoruskirche, bei schönem Wetter im Freien. Der Eintritt ist frei.

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