Kirchseeon:Weils dahoam am schönsten is'

Kirchseeon: Miguel Ercolino hat viele Orchester in zahlreichen Ländern gehört. Bei der Marktkapelle Kirchseeon spürte er gleich eine klangliche Einheit.

Miguel Ercolino hat viele Orchester in zahlreichen Ländern gehört. Bei der Marktkapelle Kirchseeon spürte er gleich eine klangliche Einheit.

(Foto: Christian Endt)

Seit September ist Miguel Ercolino neuer Dirigent der Kirchseeoner Marktkapelle. Für ihn ist das etwas Besonderes, der 30-Jährige erkennt das bereits am Klang der Musik.

Von Johanna Feckl, Kirchseeon

"Der Ton ist noch zu grell. Bitte noch einmal!" Miguel Ercolino senkt den Kopf. Sein Blick folgt dem Dirigierstock, der auf den blauen Teppichboden zeigt. Wenige Minuten zuvor hat er sich seine schulterlangen Haare zu einem lockeren Zopf zusammengebunden. Das macht er immer so. Er zählt an und die zwölf Musiker vor ihm beginnen erneut, auf ihren Trompeten, Flügelhörnern, Tuben, Querflöten und Klarinetten die Tonleiter zu spielen - die Kirchseeoner Marktkapelle stimmt ihre Instrumente. Seit September ist Miguel Ercolino ihr neuer Dirigent.

Solange sich der 30-jährige Ercolino erinnern kann, wollte er Dirigent werden. "Für mich ist das Dirigieren der direkteste Weg zur Musik", erklärt er die Begeisterung für seinen Beruf. "Die Hürden, um zur Musik zu gelangen, sind hier am geringsten." Zum einen arbeite man mit Menschen zusammen, die die starre Notenschrift eines Musikstücks zum Leben erwecken. Und zum anderen sieht sich Ercolino als Dirigent ganz im Dienste des Komponisten, der dessen musikalisches Werk mit allen Sinnen erlebbar macht.

Die klassische Musik hat für Ercolino das beste Potenzial, um allumfassend spürbar zu sein. "Die Werke berühren mich auf viel reichhaltigere Weise als Popmusik." In der Klassik geht es für den 30-Jährigen um ein absolutes Miteinander; darum, dass man abhängig davon ist, wie der Violinenspieler neben einem den Takt interpretiert oder die Frau an den Trommeln vor einem das Tempo des Musikstücks bestimmt. "Bei klassischer Musik hat das eine weitaus größere Dimension als bei Popmusik", sagt Ercolino.

Genau dieses Zusammenwirken ist es, was Ercolino bei der Kirchseeoner Marktkapelle sofort erkannte und einen tiefen Eindruck bei ihm hinterließ. "Diese Harmonie hier, die Liebe für die Sache, das spürt man einfach!" Wenn Ercolino von "spüren" spricht, dann meint er genau dieses ganzheitliche Erleben der Musik. "Das sehe ich leider gar nicht oft", räumt er ein. Der 30-Jährige hat schon viele Orchester und Kapellen in zahlreichen Ländern gehört. Man merke augenblicklich am Klang, ob die Musiker zusammen als Einheit arbeiten, oder ob vielmehr jeder für sich spielt.

Von Madrid nach München

Bereits als Kleinkind begann Ercolinos Beziehung zur Musik. In seiner venezolanischen Heimatstadt Caracas besuchte er eine Musikschule und erhielt dort Unterricht im Violaspielen - einem Saiteninstrument, das dunkler und tiefer klingt, als eine Geige. Ercolino bezeichnet die Menschen aus seiner Heimat zwar im Allgemeinen als sehr musikalisch, aber die politische Situation verhindere, dass man das auch leben könne. Deshalb ging er fort.

Er begann zunächst ein Musikstudium in Madrid, wo er sein Violaspiel professionalisierte. "Ich wollte wissen, wie es sich anfühlt, ein Instrument auf sehr hohem Niveau zu beherrschen", sagt er. Für Ercolino hilft eine solche Fähigkeit ungemein, um zu dirigieren. Regelmäßig tritt er auch selbst mit seiner Viola solo oder in verschiedenen Ensembles auf, zum Beispiel mit den Münchner Philharmonikern.

Seit 2007 ist der 30-Jährige in Deutschland, wo er ein Dirigierstudium an der Universität der Künste in Berlin absolvierte. Danach kam er nach Bayern. Deutschland ist für ihn eine Rarität, was klassische Musik anbelangt. "Jede noch so kleine Stadt hat mindestens ein Theater mit einem Orchester oder einer Kapelle. Das ist einzigartig in der Welt!" Vor allem die bayerische Volksmusik hat es ihm angetan.

Neben der Kirchseeoner Marktkapelle leitet Ercolino seit Herbst 2015 als Dirigent auch die Mannheimer Bläserphilharmonie. Einmal pro Woche pendelt er deshalb nach Mannheim, um die Proben der 60 bis 80 Musiker zu leiten. Dagegen wirkt die Kirchseeoner Kapelle mit ihren zirka 15 Mitgliedern recht gemütlich. "Es ist schon viel persönlicher und damit auch näher am Volk. Das ergänzt sich eigentlich sehr gut mit Mannheim", sagt Ercolino. Aber der persönlichere Aspekt in Kirchseeon kommt für ihn letztlich doch mehr zum Tragen: "Hier ist es mehr dahoam."

Dahoam - das trifft die Atmosphäre bei den Proben im Schulungsraum des Berufsförderungswerks recht gut. Die meisten der großen Tische und Stühle haben die Musiker beiseite geschoben, ein paar der grünen Bürostühle in U-Formation aufgestellt und ihre Notenständer davor aufgebaut. Einige der Musiker holen sich vor Probenbeginn noch eine kühle Halbe aus dem Nebenraum. Wenn Ercolino mit ruhiger Stimme erklärt, dass dieser eine Takt vom "Spanischen Zigeunertanz" noch etwas flacher und erst danach der Rhythmus drängender klingen sollte, greifen die Männer und Frauen zu den Gläsern und trinken erst mal ein paar Schlucke.

"Wir sind eine sehr heterogene Gruppe", sagt Ercolino. Einige sind seit der Gründung der Kapelle vor über 20 Jahren dabei, andere lernen im Moment für ihr Abitur. "Jeder, der Lust und Spaß daran hat, kann mitmachen!"

Die Kirchseeoner Marktkapelle probt jeden Montag ab 19.30 Uhr im Berufsförderungswerk Kirchseeon. Informationen erteilt Vereinsvorsitzender Lorenz Hein unter Telefon (0162) 104 46 86.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: