Flüchtlinge in Kirchseeon:Von der Turnhalle in die Traglufthalle

Flüchtlinge in Kirchseeon: Soll der Bau neuer Unterkünfte gestoppt werden, weil im Landkreis weniger Flüchtlinge ankommen?

Soll der Bau neuer Unterkünfte gestoppt werden, weil im Landkreis weniger Flüchtlinge ankommen?

(Foto: Christian Endt)

Die provisorischen Asylbewerberunterkünfte in den Sportstätten sollen aufgelöst werden. Mitglieder des Kirchseeoner Helferkreises wollen aber erreichen, dass gut integrierte Flüchtlinge am Ort bleiben dürfen.

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Ende April wird die Turnhalle des Gymnasiums in Kirchseeon geräumt; die Asylbewerber, die dort seit Juli des vergangenen Jahres wohnen, werden in die neu errichtete Traglufthalle nach Pliening umziehen. In der Halle ist Platz für 300 Menschen - 162 von ihnen könnten aus Kirchseeon kommen. Es sei denn, das Landratsamt in Ebersberg entscheidet sich, einige der Schutzsuchenden in der Marktgemeinde zu lassen - sofern diese Wohnungen oder eine andere Bleibe finden.

Denn einige der Ehrenamtlichen aus dem Helferkreis Asyl wollen nicht, dass alle Flüchtlinge wegziehen, beispielsweise die Gemeinderätin Maria Wollny (CSU). Sie will, dass diejenigen, die einen anerkannten Asylantrag und eine gute Bleibeperspektive haben - das seien allen voran Syrer und vereinzelt Iraker - auch in Kirchseeon bleiben. "Wir möchten die Leute behalten, die wir intensiv betreut haben", sagt sie.

Konkret gehe es um 28 Menschen. Viele der jungen Männer hätten auch beruflich gute Aussichten oder bereits einen Praktikums- oder Ausbildungsplatz in Kirchseeon bekommen, argumentiert Wollny. Einen gesicherten Arbeits- oder Ausbildungsvertrag haben aber tatsächlich nur ganz wenige.

Gute Aussicht auf eine Zukunft in Kirchseeon

Anders ist das bei Dahan aus Syrien. In seiner Heimat habe er als Hauptschullehrer gearbeitet, sagt der 23-Jährige. In Kirchseeon betreut er jetzt Schüler. Seine Aussichten auf eine Zukunft in Kirchseeon stünden damit gut. Müsste er nach Pliening ziehen und mit der Bahn oder dem Bus täglich nach Kirchseeon pendeln, wäre der Aufwand groß. Ähnlich geht es anderen Flüchtlingen - aus diesem Grund haben Ehrenamtliche des Helferkreises ihre Forderungen und Wünsche, wer von den Asylbewerbern bleiben soll, in einem Schreiben an das Landratsamt formuliert.

Weil "einige Schreiben kursieren" müsse man im Landratsamt erst sondieren, heißt es dort. So teilte Sprecherin Evelyn Schwaiger mit, dass vorrangig mit der Gemeinde Kirchseeon und mit der offiziellen Sprecherin des Helferkreises, Sonja Naumann, kommuniziert werden könne. Alle anderen Schreiben, die das Landratsamt erreicht hätten, verkomplizierten die Sache. Der Helferkreis könne dem Landratsamt eine einheitliche, sachliche und perspektivische Einschätzung zukommen lassen, bei welchen Flüchtlingen es sinnvoll sei, diese im Ort zu belassen.

Ausschlaggebend sei, dass die Menschen in Kirchseeon eine Wohnung oder ein Zimmer fänden, betont die Sprecherin des Landratsamtes. Wenn genug private oder gemeindliche Unterkünfte vorhanden seien, dann könne das Landratsamt anhand bestimmter Kriterien "individuell" beurteilen, wer bleiben könne und wer nicht. Eine große Rolle spiele dennoch auch, wie lange die Person bereits in der Turnhalle gelebt habe, sagt Schwaiger. Das gelte auch für sogenannte Fehlbeleger, also Flüchtlinge, die einen anerkannten Asylantrag haben, aber dennoch noch in der Flüchtlingsunterkunft leben. In der Kirchseeoner Turnhalle betrifft das derzeit 20 Menschen, die keine andere Bleibe finden. Diese müssten dort eigentlich ausziehen, würden dann aber obdachlos werden.

Schüler und Flüchtlinge haben Freundschaft geschlossen

Die Gemeinde Kirchseeon bereitet sich seit Monaten genau auf solche Situationen vor, um obdachlosen Flüchtlingen zur Not eine Bleibe bieten zu können. Etwa 30 Schlafplätze stünden derzeit in gemeindlichen Wohnungen zu Verfügung. Bürgermeister Udo Ockel (CSU) betont aber, dass es keine "klassischen Wohnungen" seien, sondern lediglich Schlafplätze, für die eine Nutzungsgebühr verlangt werde. Wenn der obdachlose Flüchtling diese nicht bezahlen könne, müsse das Jobcenter dafür aufkommen.

Dass die Schulturnhalle schon bald komplett geräumt wird, das steht inzwischen fest, zur Freude der Betroffenen. "Wir sind erleichtert und freuen uns, dass die Turnhalle bald wieder für den Schulsport zur Verfügung stehen wird", sagt Schulleiter Christian Czempinski. Dass die Flüchtlinge umziehen, sei natürlich nicht der Grund der Freude, betont der Schulleiter. Denn: Bei vielen Schülern hätten sich soziale Bindungen und Freundschaften entwickelt. Bis die Turnhalle tatsächlich wieder für den Schulsport genutzt werden kann, werden jedoch noch einige Wochen oder Monate vergehen. Denn diese muss erst gereinigt und saniert werden. Czempinski hofft, bis zum kommenden Schuljahr die Halle wieder wie früher belegen zu können.

Auch in Poing werden die beiden Turnhallen der Dominik-Brunner-Realschule und der Seerosenschule in einigen Wochen geräumt. Das Landratsamt geht davon aus, dass die Traglufthalle in Grub in vier bis sechs Wochen fertiggestellt wird. Der Umzug wird hier wohl unproblematisch verlaufen. Poings Bürgermeister Albert Hingerl (SPD) sagt, dass er die Bedenken der Kirchseeoner Helfer nachvollziehen könne. Doch weil Grub als Ortsteils Poings nicht weit entfernt ist, stellt sich weniger die Frage, welche Flüchtlinge in die Traglufthalle ziehen und welche nicht. Viele, die in Poing beispielsweise einen Praktikumsplatz hätten, hätten keinen weiten Weg. Außerdem wird das Arbeiterwohnheim in Poing im Mai in ein Asylbewerberheim umgewandelt. Dort finden zusätzlich 138 Schutzsuchende Platz.

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