Kirchseeon:Seniorin stirbt in Kurzzeitpflege

Die Tochter der Toten hat jetzt das Kirchseeoner Pflegeheim verklagt. Das Urteil fällt im März.

Von Jan Schwenkenbecher, Kirchseeon

Während die Tochter im Urlaub war, starb ihre 95-jährige Mutter in einem Pflegeheim der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Kirchseeon, wo sie zur Kurzzeitpflege untergebracht war. Die Tochter, die sich sonst im Münchner Zuhause um die Mutter kümmerte, verklagte das Heim. Sie ist der Meinung, die zuständige Pflegerin trage die Schuld.

Sie habe die Mutter mit Brei gefüttert, den diese nicht schlucken konnte und habe sie so erstickt. Der Fall ereignete sich bereits 2011, am Dienstag kam es am Landgericht München II zur zweiten Verhandlung. Die erste Verhandlung hatte 2014 stattgefunden. Nach Angabe der Anwältin der Klägerin, Claudia Thinesse-Wiehofsky, hatte es so lange gedauert, da das Pflegeheim die entsprechenden Dokumente zunächst nicht freigeben wollte.

Als die Tochter ihre Mutter im Heim abgab, sei es der Mutter noch sehr gut gegangen, sagt die Anwältin. Martina Rosenberg, Pressesprecherin der AWO Oberbayern, wiederum sagt, die Frau, die seit 2009 zwei bis drei Mal im Jahr in das Pflegeheim kam, sei diesmal in keinem guten Gesundheitszustand gewesen. Am Morgen des Todestags sei es der Seniorin jedenfalls besonders schlecht gegangen, das gestehen beide Seiten ein.

Dokumentiert sind Antriebslosigkeit und Kraftlosigkeit. Ein Arzt wurde hinzugezogen. Er verordnete Medikamente, die die Seniorin auch bekam. Den Arzt hatte die Tochter zunächst auch verklagt, er wurde aber entlastet, da er nachgewiesenermaßen alles richtig gemacht hatte, wie Thinesse-Wiehofsky sagt. "Was aber danach passierte", so die Anwältin, "da scheiden sich die Geister."

Widersprüchliche Aussagen

In der Akte sei von einer Pflegerin für Mittag dokumentiert, dass es der alten Dame immer noch schlecht gegangen sei. Auch Kurzatmigkeit stehe dort, so Thinesse-Wiehofsky. Vor Gericht habe die Pflegerin aber das Gegenteil ausgesagt, nämlich dass es der Seniorin mittags besser gegangen sei. Deshalb habe sie die Frau mit Brei gefüttert. Später am Tag starb die Seniorin. Tochter und Anwältin gehen nun davon aus, dass sie am Brei erstickte.

Das stimme so nicht, entgegnet Rosenberg, es sei nachgewiesen, dass sich in der Luftröhre der Frau keine Speisereste, sondern Sekretrückstände, eventuell aus der Lunge fanden. Auch die Anwältin räumt ein, dass die Rechtsmediziner über die Todesursache uneinig seien, dass auch eine Lungenembolie in Frage komme. Im Obduktionsbericht steht zur Todesursache: "anatomisch nicht eindeutige nachweisbare Todesursache".

Zudem bemängelt Thinesse-Wiehofsky, dass die Pflegerin, die der Mutter der Klägerin den Brei zu essen gab, gar keine abgeschlossene Ausbildung besaß. Sie habe zwar, so die Anwältin, eine Ausbildung zur Krankenpflegerin angefangen, habe jedoch nach eineinhalb Jahren abgebrochen. Rosenberg widerspricht: Zwar gebe es in Pflegeheimen auch Angestellte ohne Ausbildung, sogenannte Betreuungsassistenten, die mit den Besuchern etwa spazieren gehen oder ihnen etwas vorlesen. Die kümmerten sich allerdings nicht um die Pflege.

Landgerichtssprecherin Ulrike Fürst erklärte, dass in der Verhandlung drei Pflegerinnen aussagten, die mit dem Fall zu tun hatten. Zwei von ihnen hätten eine dreijährige Ausbildung zur Altenpflegefachkraft, die dritte eine einjährige Ausbildung zur Pflegehelferin absolviert. Keine sei ohne Ausbildung gewesen.

Ein Urteil fällte das Landgericht nicht, die Verkündung ist für den siebten März angesetzt.

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