Kirchseeon:Rundgang mit Hintergedanken

Kirchseeon: Marcus Kolb (sitzend) erklärt Frank Weise (2. v. rechts), was er als Qualitätsfacharbeiter genau macht.

Marcus Kolb (sitzend) erklärt Frank Weise (2. v. rechts), was er als Qualitätsfacharbeiter genau macht.

(Foto: André Stiefenhofer/oh)

Frank Weise, Vorstandsvorsitzender der Bundesagentur für Arbeit, besichtigt das Berufsförderungswerk in Kirchseeon

Von Isabel Meixner, Kirchseeon

Früher war Marcus Kolb Bierbrauer. Doch diesen Beruf kann er nicht mehr ausüben, er schult im Berufsförderungswerk in Kirchseeon deshalb um zum Qualitätsfacharbeiter. Dort befindet er sich im zweiten Ausbildungsjahr. Die Chancen, anschließend eine Anstellung in der freien Wirtschaft zu bekommen, gelten bei ihm als gut. "Die Arbeit macht Spaß", erzählte er, als am Montag Frank Weise das Berufsförderwerk besuchte. Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit war auf Einladung von SPD-Bundesabgeordnetem Ewald Schurer gekommen, um sich von der Arbeit des Berufsförderungswerks zu überzeugen.

Und auch, um selbst überzeugt zu werden. Davon nämlich, die Einrichtung künftig noch mehr zu fördern. Derzeit kommt jeder vierte Beleger über die Bundesagentur für Arbeit in das Berufsförderungswerk. Geht es nach Ewald Schurer, soll diese Zahl steigen - und damit auch mehr Geld an die Einrichtung fließen und sichergestellt werden, dass sie ausgelastet ist. "Wir wollen zeigen, was das Berufsförderungswerk alles kann", sagte Schurer. Der Bundestagsabgeordnete weiß, dass auch die Bundesagentur für Arbeit bedingt durch sinkende Erwerbslosenzahlen weniger Mittel für die berufliche Rehabilitation übrig hat.

Vorstandsvorsitzender Frank Weise ahnte freilich, warum er nach Kirchseeon eingeladen worden war, und zeigte er sich auf dem Rundgang entsprechend wie ein Pokerspieler, der sich nicht in die Karten blicken lassen will. Immer wieder suchte er abseits der großen Runde das Gespräch mit Auszubildenden - "ich nehme an, dass wir hier die Besten dargestellt bekommen, die anderen haben Sie wahrscheinlich in den Urlaub geschickt" -, wich einmal sogar von der Route ab und vermied konkrete Zusagen. Das Berufsförderungswerk mache einen guten Eindruck, sagte er, es sei notwendig, "dass so etwas erhalten wird". Vor allem in Hinblick auf die Ausstattung: Die Maschinen seien auf dem neuesten Stand, damit die Lehrlinge nach ihrer Zeit im Berufsförderungswerk auch konkurrenzfähig auf dem freien Markt sind. Das und die Tatsache, dass etwa bei den CNC-Fräsern im Schnitt vier von fünf Auszubildenden vermittelt werden, lobte Weise: "Sie sind hier sogar an der Spitze. Nicht jeder Betrieb kann sich diese Maschinen leisten." Gleichzeitig kostet die gute Ausstattung auch viel Geld: Die Maschine etwa, mit der der ehemalige Bierbrauer Marcus Kolb die Maße von Formen kontrolliert, habe zwischen 80 000 und 90 000 Euro gekostet, sagt Ausbildungsleiter Jochen Kuhnert.

Im Berufsbildungswerk werden derzeit rund 750 Menschen umgeschult, die aus verschiedenen Gründen ihren früheren Job nicht mehr ausüben können. 450 von ihnen leben im angeschlossenen Internat. Die meisten Beleger werden von der Rentenversicherung an das Berufsförderungswerk vermittelt. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 35 Jahren. Dass die Einrichtung tatsächlich Aufträge aus der freien Wirtschaft annimmt, kommt selten vor, erklärte Geschäftsführer Manfred Geier: "Wir dürfen als gemeinnütziges Unternehmen nicht zu viel produzieren, sonst wird uns am Schluss die Gemeinnützigkeit aberkannt." Die späteren Arbeitgeber der Auszubildenden stört das offenbar nicht. "Gerade in meinem Bereich rufen die Firmen an und fragen nach, ob Praktikanten zu haben sind", erzählte Manfred Schäffler, der derzeit zum Feinmechaniker umgeschult wird. Das bestätigte Geier auch für andere Berufe speziell im Metallerbereich.

Um die Auszubildenden auf die Arbeitswelt vorzubereiten, wird etwa bei den Brauern ein virtuelles Unternehmen vorgegaukelt, in dem alles wie in der Realität passieren muss: Reale Post muss beantwortet, mit Beschwerden umgegangen oder eine Jahresabschlussrechnung erstellt werden. "Wir versuchen, alles so realistisch wie möglich zu machen", sagte Kuhnert. Einziger Bereich, in dem nicht simuliert wird, ist das Hotel: Hier können sich Gäste einmieten, was vor allem zu Messe- und Oktoberfestzeiten zu hohen Zimmerpreisen von ganz realen 120 Euro führt.

Im Vergleich zu anderen Berufsförderungswerken sei das in Kirchseeon gut ausgestattet, lobte Weise. Auch dass das Berufsförderungswerk technisch orientiert sei und so viele Lehrlinge eine reguläre Arbeit fänden, gefiel dem Vorstandsvorsitzenden. Er betonte im Zusammenhang mit dem Rundgang: "Ich verspreche Ihnen: Das hat Wirkung."

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