Kirchseeon:Kollektives Aufatmen

Ende einer Dauerbaustelle: In Kirchseeon heißt es wieder freie Fahrt - zumindest bis Schulanfang. Eine Bilanz

Von Katharina Blum

Die Arbeiter haben zusammengepackt, auf dem neuen Belag erstrahlen die Pfeile und Markierungen jetzt in einem satten Weiß. Doch letzte Spuren aus der Baustellenzeit in Kirchseeon sind am Tag danach noch sichtbar. In der Rotbuchenstraße flattern nach wie vor die Zettel "Lastwagen verboten" und "Vorsicht! Spielende Kinder!". Vor dem Feinkostladen an der Parkstraße 16 sind immer noch Stühle und Tische gestapelt, an der Glastür hängt ein Plakat: "Liebe Kunden, da die B 304 und der Gehweg erneuert werden, sind wir gezwungen, unseren Laden bis Mitte September zu schließen." Man bittet um Verständnis. "Wir sind alle froh, dass es jetzt vorbei ist", sagt Kirchseeons Dritter Bürgermeister Klaus Seidinger (FW). "Im Großen und Ganzen ist es aber glimpflich abgelaufen. Die Anwohner sind vom neuen Belag schlichtweg begeistert, sie merken einen großen Unterschied." Kollektives Aufatmen.

Der Geschäftsmann, der nach München pendelt, der Landwirt aus Ilching, die Ladenbesitzerin von der Hauptstraße oder die Kinder aus der Rotbuchenstraße haben normalerweise nur wenig gemeinsam. Anders war es in den vergangenen fünfeinhalb Wochen. Da gab es in Kirchseeon eine Sache, weshalb sie sozusagen alle im selben Boot saßen- oder im selben Auto, um im Bild zu bleiben: die Baustelle an der B 304. Seit Beginn der Sommerferien wurde dort der Geh- und Radweg zwischen Kohlenbrennerweg und Waldbahn verlängert, die Straße bekam einen Flüsterasphalt. Die Geduld von Autofahrern und Anwohnern wurde vor allem während der Vollsperrung auf die Probe gestellt. Pendler mussten die Gemeinde großräumig umfahren. Das taten nicht alle gerne, viele nutzten lieber die Bypässe durch die Dörfer und nervten dort nicht nur die Landwirte, für die es kaum noch ein Durchkommen zu den Feldern gab. Gestresst vom innerörtlichen Ausweichverkehr waren auch die Eltern in der Rotbuchenstraße, weil sie ihre Kinder nicht mehr haben draußen spielen lassen wollen, seit aus der beschaulichen Seitenstraße eine stark befahrene Verkehrsader geworden war. Etwas mehr Betrieb vor der Haustür hätte sich dagegen so mancher Ladenbesitzer an der Bundesstraße gewünscht. Seit Mittwochnachmittag ist sie vorbei, die Geduldsprobe, seitdem gibt es wieder freie Fahrt in der Marktgemeinde - zumindest bis Schulanfang, wenn sich in der alltäglichen Rushhour auf der Hauptverkehrsader dann wieder Stoßstange an Stoßstange drängt.

Juliette Reich vom gleichnamigen Bio-Geschäft zieht eine erste Bilanz. "Richtig dramatisch", fällt diese aus. "Ich kann es nicht anders sagen." In den vergangenen sechs Wochen habe sie mit einem Drittel der üblichen Einnahmen leben müssen. Dazu der Frust, dass aus dem Kirchseeoner Bauamt "fast nie einer zu sprechen war" und niemand sagen konnte, wann die Lieferanten mit ihren Lastwagen kommen können. Dazu das Gefühl, dass manchmal nur ein paar Hütchen versetzt wurden, statt zackig zu arbeiten und das Ganze so unnötig in die Länge gezogen wurde. "Ich weiß ja, dass es nötig war. Aber es gibt eben immer auch Kollateralschäden."

Kirchseeon: Da geht es wieder lang: Nach fünfeinhalb Wochen Teil- und Vollsperrung haben die Autofahrer wieder freie Fahrt in Kirchseeon.

Da geht es wieder lang: Nach fünfeinhalb Wochen Teil- und Vollsperrung haben die Autofahrer wieder freie Fahrt in Kirchseeon.

(Foto: Christian Endt)

Größere Blechschäden gab es in Kirchseeon trotz der nicht selten verirrten Fahrzeuge nicht. "Mehr oder weniger reibungslos" verlief die Baustellenzeit aus Sicht der Polizei, wie Oberkommissar Stefan Krinninger erklärt. Das bedeutet: keine besonderen Vorkommnisse, keine überlangen Staus, aber eben einige Autofahrer, die die Umleitungen ignoriert haben. Mindestens viermal gekracht hat es seit Anfang August indes in Schwaberwegen. Dort war seit Beginn der Sanierungsarbeiten in Kirchseeon der Verkehr auf der Staatsstraße gestiegen - und mit ihm die Zahl der Unfälle.

Gesunken sind dagegen die Kosten in Kirchseeon. "Die Abrechnung ist noch nicht ganz fertig, aber man wird eher unter der Auftragssumme bleiben", sagt Frank Ruckdäschel vom Straßenbauamt Rosenheim, der mit der Qualität der Bauarbeiten "sehr zufrieden" ist. Der Neubau des Geh- und Radwegs dürfte etwa 600 000 Euro kosten, die Instandsetzung der B 304 rund 500 000 Euro. Bei der Marktgemeinde Kirchseeon hatte man für die beiden Projekte etwa 816 000 Euro beziehungsweise 665 000 Euro veranschlagt.

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