Kirchseeon:Kein Grund zu jammern

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Die einst verfeindeten Ortsteile haben sich angenähert

Von Mariel Müller, Kirchseeon

"Es gibt schon ein paar Kirchseeoner, die fahren nie nach Eglharting, und ein paar Eglhartinger, die fahren nicht nach Kirchseeon." Aber im Großen und Ganzen, sagt Bürgermeister Udo Ockel, sei die Trennung der Gemeindeteile nicht mehr stark zu spüren. Auch wenn die Kirchseeoner nicht ganz ohne Neid auf die Einkaufsmöglichkeiten in Eglharting schielen, wo derzeit neben der B 304 eine Kette nach der anderen eine Filiale hochzieht. In Kirchseeon hätte man schon auch gerne einen Supermarkt gehabt, vor Jahren seien Verhandlungen geführt worden mit den Eigentümern eines Grundstücks am Spannleitenberg. Dann wurde der Edeka in Ebersberg gebaut, seitdem sei Kirchseeon für Supermarktketten kein Thema mehr. Vermutlich, weil das Bevölkerungswachstum allem Druck zum Trotz nicht groß genug ist.

Seit Jahren lebe man mit einem Wachstum von einem Prozent, "und das haben wir auch gut verkraftet", sagt Ockel. "Siedlungsdruck, das mag schon sein", aber wenn, dann wirke das in erster Linie auf die Grundstückspreise, aber nicht auf die Bautätigkeit. Für die Kinder, die hier groß geworden sind, sei es im Moment schwer, Baugrund zu finden - das gelte für beide Ortsteile gleichermaßen. "Ich habe zur Zeit keinen einzigen Antrag auf Baulandausweisung auf dem Schreibtisch."

Bis 1939 war Eglharting, das auf das Jahr 1324 zurück geht, der Hauptort. Kirchseeon zog erst nach, als 1868 die Eisenbahnstrecke München-Rosenheim gebaut wurde und das Schwellenwerk entstand. Viele Arbeiter zogen in den Ort, was seine Struktur prägte. Eglharting aber sei als Straßendorf entstanden, erzählt Dagmar Kramer vom Verein für Heimatkunde Kirchseeon. Die Bauern seien durch die Beherbergung und Versorgung der durchziehenden Fuhrleute reich geworden. Dass es dem Ort Eglharting oblag, die vielen in Not geratenen Arbeiter in Kirchseeon zu versorgen, kam den Eglhartinger Bauern ungelegen. Sie hätten den neuen Ortsteil mitsamt seiner kränkelnden Arbeiterklasse gerne los gehabt. "Das hat aber nicht funktioniert", erzählt Kramer. Dass 1939 Kirchseeon zum Hauptort befördert wurde, machte die Sache nicht besser. In Kirchseeon war zu dem Zeitpunkt ein Bürgermeisteramt, eine Schule und eine Polizeistation entstanden, während Eglharting immer noch größtenteils aus Handwerkern und Bauern bestand. Erst seit 1965 habe sich das Gesicht von Eglharting mit dem Bau der Gewerbegebiete massiv verändert - und "die alten Eglhartinger tragen schwer daran", so Kramers Fazit.

Bürgermeister Ockel, nicht im Ort groß geworden, sieht das distanzierter. "Ich weiß, dass es Persönlichkeiten gibt, die darauf bestehen, dass sie Eglhartinger sind." Aber grundsätzlich, sagt er, brauche keiner zu jammern: "Jeder hat seine S-Bahn, seine Schule, seine Turnhalle, es gibt Kindergärten in Kirchseeon und genauso in Eglharting." Erst wenn in Kirchseeon einmal mehr gebaut würde, etwa auf dem Gelände des Schwellenwerks, wo einmal für 1000 Neubürger Platz geschaffen werden könnte, dann würden Veränderungen tatsächlich spürbar. "Das wären zehn Prozent mehr Leute und 15 Prozent mehr Probleme", sagt Ockel und zählt auf: neue Straßen, Kindergärten, Parks. Doch noch ist das Problem der Altlasten auf dem Gelände nicht geklärt, die Sache mit den 1000 Neubürgern also alles andere als aktuell - und die Gemeinde in einer komfortablen Lage, oder? Ockel: "Ich würde das unterschreiben."

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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