Kirchseeon:Für die Integration

Kirchseeon: Das Thema ist sensibel, aber offensichtlich kein Aufreger mehr. Bei der Informationsveranstaltung über die Flüchtlinge bleiben viele Plätze leer.

Das Thema ist sensibel, aber offensichtlich kein Aufreger mehr. Bei der Informationsveranstaltung über die Flüchtlinge bleiben viele Plätze leer.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Landrat Robert Niedergesäß informiert in Kirchseeon darüber, dass die Turnhalle des Gymnasiums weiterhin Flüchtlingsunterkunft bleibt. Nun wünschen sich die Schüler mehr Kontakt zu ihren neuen Nachbarn

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Damit hat Landrat Robert Niedergesäß (CSU) nicht gerechnet. Die 16-jährige Sabine Lörner wirft ihm vor: "Uns hat nie jemand gefragt!" Das Thema an diesem Mittwochabend ist sensibel, es geht um die Asylbewerber in der Turnhalle des Gymnasiums. Diese ist seit Ende Juli eine Notunterkunft für Flüchtlinge; und werde es vorerst auch bleiben, sagt Niedergesäß gleich zu Beginn der Veranstaltung, zu der der Landkreis in die Aula der Schule eingeladen hat. Derzeit wohnen 120 Flüchtlinge in der Turnhalle: Tendenz steigend. Im Landkreis hat Kirchseeon derzeit - nach Ebersberg - am meisten Asylsuchende aufgenommen, insgesamt 137.

Zu der Veranstaltung kommen Eltern und Ehrenamtliche des Helferkreises Asyl. Doch auch einige Schüler des Gymnasiums sind mit dabei. Sabine Lörner besucht die elfte Jahrgangsstufe und hat eben eine klare Botschaft an Niedergesäß. "Wir wurden nie gefragt, wie es uns geht." Denn es sei einfach bestimmt worden, dass die Turnhalle zur Flüchtlingsunterkunft werde, ohne die Schüler aufzuklären. Robert Niedergesäß wirkt sichtlich überrascht, er lässt die 16-Jährige lange sprechen. Sie kritisiert zum Beispiel, dass eine solche Informationsveranstaltung zwar gut sei, aber eben an den Schülern vorbeigehe. Viele Schüler wüssten nicht viel über die Flüchtlingsproblematik; dass dann auch Ressentiments wüchsen, sei die traurige Folge, stellt sie fest. "Es wird nicht genug getan, um Schüler in meinem Alter zu bilden", sagt die 16-Jährige. Das Publikum, mehr als 100 interessierte Kirchseeoner, applaudiert lautstark. Niedergesäß nickt und erwidert vorsichtig, dass dies ein neuer Vorschlag sei, den er so noch nie gehört habe. "Da hätten wir auch selber drauf kommen können"; er blickt zu seinen Mitarbeitern, die bei Fachfragen hin und wieder einspringen. Natürlich sollen die Schüler gefragt werden, und natürlich werde es eine Debatte mit den Jugendlichen geben, verspricht der Landrat. Dann steht Julia Hofer auf, ebenfalls Schülerin des Gymnasiums. Sie möchte noch mehr: Die Schüler sollen direkt eingebunden werden, weil die Flüchtlinge eine Chance seien, Kulturen auszutauschen. Es dürfe nicht alles getrennt ablaufen. Der Appell richtet sich auch an die Schule; Gabriele Söllheim, die Schulleiterin, nickt zustimmend.

Dass in der großen Politik etwas falsch laufe, spricht der Landrat deutlich aus: "Berlin hat verschlafen." Die Basis - das sind die Landkreise und Kommunen - müssten jetzt alles ausbaden. Ohne das große Engagement der Menschen könne man die Krise nicht meistern. In Kirchseeon packen die Menschen an, der Helferkreis Asyl wachse stetig, bestätigt deren Sprecherin Sonja Naumann. Viele sehen die Menschlichkeit weit vorne, bringen konkrete Vorschläge, kritisieren aber auch Dinge und sagen, dass die Grenze der Belastbarkeit längst erreicht sei. Konkret wird Robert Geiger, der dafür plädiert, dass die Turnhalle wieder für den Sportunterricht genutzt werden sollte. Aus seiner Sicht sei das ehemalige Bahnschwellenwerk ein geeigneter Ort für eine Flüchtlingsunterkunft. Doch Kirchseeons Bürgermeister Udo Ockel widerspricht. Das Gelände sei aufgrund des verseuchten Bodens "nicht bewohnbar". Sorge, dass die Schüler keinen Sportunterricht mehr hätten, räumt Lehrer Thomas Laufer aus. Die Halle des Berufsförderungswerks, das Hallenbad und die Sporthalle in Zorneding könnten genutzt werden.

Aber auch besorgte Eltern kommen zu Wort. Eine Mutter will wissen, ob es ein Sicherheitskonzept gebe? Niedergesäß kann sie beruhigen: Es habe noch nie kritische Vorfälle von Flüchtlingen gegenüber Kindern gegeben. Außerdem sei ein Sicherheitsdienst 24 Stunden vor Ort. Michaela Pelz schlägt vor, die Schüler eng einzubinden und den Kontakt zu den Flüchtlingen zu suchen, damit eine gewisse Vertrauensbasis entstehe. Dass die Flüchtlinge besser integriert werden müssen, ist für viele an diesem Abend ein wichtiger Appell - an die Menschen und an die Politik.

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