Kirchseeon:Engagement für Flüchtlinge

Das Kreisbildungswerk will mit den Kirchseeonern erarbeiten, wie sich die Gemeinde entwickeln soll. Im Mittelpunkt der Workshop-Teilnehmer steht die Integration der Asylbewerber

Von Christoph Hollender, Kirchseeon

Lässig sitzt Helga Lorenz auf einem Tisch im Treppenhaus, die Beine lässt sie locker baumeln. Sie trägt weiße Schuhe und eine rote Weste mit einem farbgleichen Schal, darunter eine weiße Bluse. Dass sie mit 75 Jahren die älteste Besucherin dieser Veranstaltung ist, hat sie bereits festgestellt. Das stört sie aber nicht - im Gegenteil. Körperlich fit ist sie allemal, und auch das, was sie zu sagen hat, entspricht absolut ihrem flotten Outfit. "Heute Abend bin ich beim Trachtenverein", sagt sie als Erstes und lächelt. Da sei immer etwas los. In vielen Vereinen Kirchseeons sei etwas los, das finde sie klasse. Und in den meisten ist Helga Lorenz wahrscheinlich auch Mitglied - jedenfalls entsteht der Eindruck, wenn sie über die Gemeinde erzählt und wo sie überall wann was macht.

Helga Lorenz lebt seit ihrer Geburt in Kirchseeon und zählt sich selber zu den Urgesteinen hier: "Jeder kennt mich." Das mit "seit ihrer Geburt" stimmt aber nicht ganz, Helga Lorenz korrigiert das schnell. "Geboren wurde ich eigentlich in München, aber ich kam direkt danach nach Kirchseeon", sagte sie im Saal des Pfarrheims St. Josef, Minuten bevor sie sich auf den Tisch im Treppenhaus setzte. Die Gäste, die in einem Stuhlkreis im Saal sitzen, lachen, als Helga Lorenz über dies und das plaudert. Ein Zukunftsworkshop hat sie allesamt ins Pfarrheim gelockt.

Kirchseeon: Coach Florian Wenzel ist für den theoretischen Teil des Zukunftsworkshops in Kirchseeon zuständig.

Coach Florian Wenzel ist für den theoretischen Teil des Zukunftsworkshops in Kirchseeon zuständig.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Idee zu diesem Workshop kam von Claudia Pfrang vom katholischen Kreisbildungswerk Ebersberg. In Glonn hat es einen solchen schon gegeben. Pfrang erklärt den Hintergrund so: Alle Menschen, jung und alt, mit und ohne Behinderungen, sollen an der gemeindlichen Entwicklung teilhaben können, und ein solcher Workshop könne dazu beitragen. So hat jeder aus der Gemeinde die Möglichkeit zu sagen, was er gut findet, aber auch, was anders gemacht werden könnte. Die, die gekommen sind, haben tatsächlich ganz unterschiedliche Beweggründe, sich einzubringen. So finden immerhin mehr als eine Handvoll der Gemeinderäte den Weg ins Pfarrheim, Bürgermeister Udo Ockel kommt vorbei. Auch junge Kirchseeoner haben sich auf den Weg ins Pfarrheim gemacht, weil sie konkrete Anliegen und Ideen haben, wie sich die Gemeinde entwickeln sollte. Zum Beispiel wäre mehr Engagement der Menschen und der Politik gegenüber den Asylbewerbern schön. Andere kommen, weil sie sich eigentlich irgendwie engagieren wollen, aber eigentlich doch zu wenig Zeit für ein Ehrenamt im Verein haben. Und dann gibt es noch viele ältere Gäste, die sich "einfach mal überraschen lassen" oder die Gelegenheit nutzen und erzählen. Die Runde bleibt beschaulich, was Bürgermeister Udo Ockel ein wenig enttäuscht. Dafür kommen spannende Gespräche zustande. Wie das zwischen Helga Lorenz und dem 45-jährigen Thomas Moder.

Beide machen es sich nach der Stuhlkreisvorstellungsrunde auf einem Tisch im Treppenhaus gemütlich. Die Vereine in Kirchseeon seien auf jeden Fall toll, das steht für Helga Lorenz fest. Sie sei ständig unterwegs und kennt ihre Gemeinde deshalb besser als viele andere, sagt sie. Kürzlich habe sie am Ortsbrunnen die Sträucher geschnitten - das sei Aufgabe des Ortsverschönerungsvereins, in dem sie Mitglied ist. Als sie am Brunnen arbeitete, seien zwei Asylbewerber gekommen und hätten ihr beim Schneiden geholfen. Weil es bei der Sprache ein wenig haperte, sind die Sträucher jetzt sehr kurz, aber die würden schließlich nachwachsen. Und weil einer der beiden Helfer keine vernünftigen Schuhe hatte, eilte Helga Lorenz nach Hause und besorgte ihm Turnschuhe und Socken. Helga Lorenz und Thomas Moder lachen und nicken sich zu. Genau das sei das Wichtige, sagt Thomas Moder: Die Menschen müssten direkt integriert werden. Jeder solle eingebunden werden.

Kirchseeon: Helga Lorenz füllt ihn mit Leben, weil sie auch mit 75 Jahren einiges von ihrer Heimatgemeinde erwartet.

Helga Lorenz füllt ihn mit Leben, weil sie auch mit 75 Jahren einiges von ihrer Heimatgemeinde erwartet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Und die Asylbewerber würde dringend gebraucht werden, ist Helga Lorenz überzeugt. Viele ältere Menschen würden sich freuen, wenn sie im Haushalt oder im Garten Unterstützung bekämen. Dann klingelt dumpf eine Glocke. Ende der Gespräche. Alle zurück in den Stuhlkreis. Jetzt wurden die spannendsten Gedanken präsentiert. Kirchseeon sei ein wenig luftleer, stellen zwei Frauen fest. In Poing sei das beispielsweise anders. Bürgermeister Udo Ockel verzieht das Gesicht.

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