Kirchseeon:Ein Farbtraum wird Realität

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"Neugier" lautet der Titel des Wandgemäldes, das seit dieser Woche die Eingangshalle des Kirchseeoner Gymnasiums schmückt. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Das Kirchseeoner Gymnasium enthüllt eine Wand des Graffiti-Künstlers "SatOne" - möglich gemacht haben dies die Schüler eines Projektseminars "Abstract Art"

Von Johannes Hirschlach, Kirchseeon

"Ist das geil", ist der erste Satz aus dem Publikum, als der Vorhang fällt. Landrat Robert Niedergesäß hat soeben die blaue Segelschnur durchschnitten, die ein schwarzes Tuch hielt - dahinter das Objekt der Begierde. Die Zuschauermenge in der Aula des Gymnasiums Kirchseeon drängt sich wie ein Mann nach vorne, von Neugier und Ungeduld getrieben.

"Neugier", so nennt der gebürtige Kirchseeoner und inzwischen international bekannte Graffiti-Künstler Rafael Gerlach alias "SatOne" sein neuestes Werk: 65 Quadratmeter leuchtende Farbgewalt auf einer Fläche, die in der Eingangshalle der Schule zwei Stockwerke einnimmt. Das Bild, ein Sammelsurium wilder Formen - Quadrate, Linien, Farbkleckse, Spuren, wie mit dem Tafelschwamm gezogen - lädt tatsächlich ein, sich in neugierigen Betrachtungen zu verlieren. Geschwungene Streifen greifen die Spirale der Wendeltreppe im Raum auf. Die Farben der vier Schultrakte finden sich ebenso auf der Darstellung wieder wie organische Formen, welche die bewaldete Umgebung Kirchseeons repräsentieren sollen, so beschreibt es jedenfalls Künstler Gerlach.

Hinter dem Projekt steckt das P-Seminar "Abstract Art Goes Gymnasium Kirchseeon". Neun Zwölftklässler sowie die beiden Lehrerinnen Stefanie Haschler und Julia Reisinger haben im vergangenen und aktuellen Schuljahr unermüdlich dafür geschuftet, Gerlachs Kunstwerk Realität werden zu lassen. Der hatte bereits vor zwei Jahren der Schule angeboten, die gelöcherte Akustikwand in der Aula ohne Gage zu besprühen. "Eine Chance, die man nicht verstreichen lässt", sagt Reisinger.

65 Quadratmeter hat der Graffiti-Künstler Rafael Gerlach in der Aula des Kirchseeoner Gymnasiums gestaltet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Schon einmal hatte die Lehrerin mit ihrer Kollegin ein P-Seminar zur Graffitiszene angeboten. Damals ging es um das einstige Kirchseeoner Schwellenwerk. Auf diesem Industriegelände begann auch Gerlachs künstlerisches Treiben, das ihn inzwischen bis in die USA führt. Das neue Projekt sei nun als Fortsetzung des Vorgängerseminars zu begreifen, sagt Haschler. Für die Schüler sei es das Ziel gewesen, das Vorhaben des Künstlers organisatorisch zu betreuen und Teamfähigkeit unter Beweis zu stellen.

2015 startete die Truppe mit den Planungen. Es folgte ein bürokratischer Hürdenlauf. "Das größte Problem war die Akustikwand", sagt Haschler. Es habe Bedenken gegeben, die Farbe könne den Raumklang verändern, wenn sie die Löcher verstopfe. Aber auch die Umsetzung bereitete Schwierigkeiten: Damit Gerlach in alle Ecken der Wand gelangen konnte, war eine Hebebühne erforderlich. Zuvor jedoch musste ein Statiker berechnen, ob der Boden der Aula die Last des schweren Gerätes tragen würde. In den Herbstferien schritt Gerlach dann ans Werk.

Der Graffiti-Künstler Rafael Gerlach bei der Enthüllung seines Werks neben Ebersbergs Landrat Robert Niedergesäß, (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch wenn die P-Seminaristen nicht aktiv an der künstlerische Gestaltung der Wand beteiligt waren, zeigen sie sich am Abend der Enthüllung restlos begeistert. "Ich fand es spannend, dem Künstler bei der Arbeit zuzusehen", sagt Miro Veramendi, der sich auch in seiner Freizeit für Streetart interessiert. "Man unterschätzt leicht die ganze Organisation, die hinter so einer Arbeit steckt", berichtet Simon Schmidt. Er jedenfalls habe durch das Projekt viel Erfahrungen sammeln können.

Das entspricht dem, was sich Rafael Gerlach zum Ziel gesetzt hatte: "Es war mir wichtig, den Austausch zu fördern; zu zeigen, dass man an seine Fähigkeiten glauben sollte", sagt er nach der Enthüllung seiner Wand. Das P-Seminar habe viel vorgearbeitet und ihm ideale Bedingungen geschaffen. Die Zusammenarbeit: "ein kleines Stück Schulgeschichte", wie Haschler es ausdrückt.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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