Schulwege:Bussi-Parade

Schulwege: Viele Kinder radeln zum Kirchseeoner Gymnasium oder kommen zu Fuß von der S-Bahn. Andere haben ihre Privatchauffeure - die Eltern.

Viele Kinder radeln zum Kirchseeoner Gymnasium oder kommen zu Fuß von der S-Bahn. Andere haben ihre Privatchauffeure - die Eltern.

(Foto: Christian Endt)

Küsschen links, Küsschen rechts und schnell weiter. Eltern, die ihre Kinder bis vor die Schultür fahren, sind ein großes Problem für die Sicherheit

Von Jan Schwenkenbecher, Kirchseeon

Die Kids quasseln, ein paar inspizieren die gefrorenen Blätter an der Hecke, ein paar rangeln. Etwa 200 Schulkinder schlendern vom S-Bahnhof zum Kirchseeoner Gymnasium. Ein paar Schüler rasen auf ihren Rädern vorbei.

Wegen der radelnden Kinder stand Anfang Januar die Polizei vor der Schule. Drei Beamte hatten einen Infostand aufgebaut, sie sollten den Schülern die Vorzüge von Helm und Licht erklären. Schnell wurde jedoch deutlich, dass weniger die Rad fahrenden Kinder, sondern die Auto fahrenden Eltern ein Problem für die Sicherheit darstellen. Die Polizisten verlagerten ihren Schwerpunkt, sprachen Eltern an.

"Dass die Eltern ein Problem darstellen, kam erst bei der Polizeiaktion heraus", sagt die Schulleiterin Simone Voit, die die Ebersberger Polizei um die Infoaktion gebeten hatte. Die Eltern wurden informiert, so Voit, sie zeigten sich auch sehr einsichtig. "Ich denke", so Voit, "das ist auf jeden Fall etwas, das sich mit Kommunikation verbessern lässt." Dirk Anders, Hauptkommissar der Ebersberger Polizei sah das etwas anders und sagte nach der Aktion, dass er glaube, dass die guten Vorsätze binnen einer Woche wieder verflogen seien. Er sollte Recht behalten.

Obwohl drei Polizisten den Eltern gut zuredeten, ist zwei Wochen später alles wie vorher

Zwei Wochen später, Dienstag um halb acht, Stau vor der Schule. Die Kinder überqueren die Bus-Zufahrt zum Schulgelände, blockieren sie minutenlang. Doch nicht den Schulbussen schneiden sie den Weg ab, die kommen erst später. Es sind Eltern, die einfahren wollen. Eltern, die ihre Kinder direkt vor der Tür absetzen wollen und nun die ganze Straße blockieren.

Alles beim Alten.

Als um Viertel vor acht die Schulbusse ihren Platz vor dem Gymnasium ansteuern, ist die Zufahrt mit Autos belegt. Eine Mutter steuert ihren Kombi im Halbkreis vor der Zufahrt, bleibt dann kurz stehen. Ein Bub steigt aus, ein paar Sätze ratschen die beiden noch. Der Fahrer des Schulbusses hinter ihr wird ungeduldig, ungeduldiger, dann hupt er drei Mal. Dahinter steht schon der nächste Schulbus bereit, auch sein Fahrer hupt jetzt. Die Mutter winkt, erst ihrem Kind hinterher, dann entschuldigend dem Busfahrer zu, vollendet den Halbkreis und zischt davon.

"Die bekommen ihre konkreten Tipps schon", sagt Dirk Anders über die Eltern, "die Polizei ist zu Beginn des Schuljahres an Elternabenden dabei." Es werde immer wieder gepredigt, die Kinder an der Schule vorher abzusetzen, sie die letzten paar Meter laufen zu lassen. In Kirchseeon gibt es dafür sogar einen großen Parkplatz, nur etwa 50 Meter weiter. Nach jahrelangem Kampf verwundert es nur bedingt, dass Dirk Anders gelegentlich in Polemik verfällt: "So bekämen die Kinder dann auch noch mal Sauerstoff ins Gehirn."

Doch Kirchseeon ist bei weitem nicht die einzige Schule mit Schulweg-Problemen. "So speziell wie in Kirchseeon gibt es das vielleicht nicht an anderen Schulen", sagt Anders, "aber jede Schule hat ein individuelles Problem." Solche Probleme müsse man immer auch individuell betrachten und lösen, ein pauschales Rezept gebe es nicht. In Vaterstetten etwa wurden neue Parkflächen und eine Einbahnstraßenregelung eingeführt. Probleme gibt es dennoch. Und auch in Grafing und Zorneding läuft nicht alles rund.

Dirk Anders kämpft für Veränderung. Bisher hatte er noch keinen Erfolg, trotzdem gibt er nicht auf

In Kirchseeon aber sei der Fehler schon vor Jahren passiert, beim Neubau. "Wenn ich ein Objekt plane, könnte ich aus der Vergangenheit lernen", sagt Anders. Die Polizei könne bei der Planung zwar schon ihren Senf dazugeben, ob sie aber gehört werde, sei eine andere Frage. "Erst werden 3D-Bilder an die Wand geworfen, das sieht gut aus, da nicken alle, es wird gebaut", so Anders, "und dann wird benutzt. Und dann sieht man die Probleme."

Jetzt kämpft Anders also für Veränderung. Dafür, dass die Schüler früher auf das Schulgelände gehen können. Direkt hinter dem Zebrastreifen, sodass sie die Einfahrt nicht mehr überqueren müssen. Erst versuchte er es beim Landratsamt, dann bei der Gemeinde. Sogar bei der Bahn hatte er vor ein paar Jahren schon mal angefragt, ob nicht die Brücke um eine Radspur verbreitert werden könne. Bisher hatte er keinen Erfolg. Ihm bleibt also nichts weiter übrig, als beständig zu mahnen: "Wenn alle immer nur ganz kurz was falsch machen, ist es in der Masse trotzdem ganz schön falsch."

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