30 Kilometer zu Fuß:Auf Wallensteins Spuren

Der Steinhöringer Michael Münch ist drei Tage lang in einem historischen Zug nach Wasserburg mitmarschiert

Georg Reinthaler

Ein verdächtiges Rascheln im Unterholz lässt die bayerische Armee auf dem spiegelglatten Waldweg ins Stocken geraten. Während die Hunde laut knurren, schnauben auch die Pferde nervös. "Schweden!", rufen die Spähreiter und die erschöpften Soldaten haben Gewissheit: Einmal mehr sind die "Dicke Berta" und Feldherr Wallenstein in größter Gefahr und müssen im Gefecht mit Schwertern und Musketen verteidigt werden. Und mitten drin ein Steinhöringer: Michael Münch hat sich am Wochenende zusammen mit rund 200 weiteren Teilnehmern auf eine dreitägige Zeitreise durch das Wasserburger Land begeben und den Dreißigjährigen Krieg lebendig werden lassen.

Die müden Blicke bei Wallensteins Leibwache oder den Marketenderinnen sprechen Bände. Angesichts der Minusgrade ist bei der Übernachtung im zugigen Heuboden nur wenig Erholung herausgesprungen und der Tross bibbert sich dem Aufbruch in den zweiten Tag entgegen. "Bayerische Armee, Abmarschbereitschaft herstellen", brüllt der Oberst und seine Mannen reihen sich in die streng vorgegebene Zugaufstellung ein. Unter ihnen befindet sich der 21-Jährige aus Sankt Christoph bei Steinhöring. Er absolviert im realen Leben eine Ausbildung zum Hufschmid und ist im Rahmen des Wallenstein-Wintermarsches durch den Altlandkreis Wasserburg dafür verantwortlich, dass alle mitgeführten Pferde ohne Probleme das Ziel, die Wasserburger Altstadt, erreichen. Jeweils vier Rösser ziehen die fünfeinhalb Tonnen schwere Kanone mit dem Namen "Dicke Berta". Dazu kommen noch Kutschengespanne und Geschütze.

Mehrere hundert Meter lang wird der Zug an engen Stellen und angesichts der historischen Kleidung oder Kutschen fühlt man sich tatsächlich in eine andere Zeit versetzt. Es gibt kein Telefon, kein Auto und anstatt moderner Popmusik aus dem Kopfhörer gibt einzig und allein ein junger Trommler den Takt vor. Über vereiste Wege, nebelverhangene Felder und dunkle Wälder führt die 30 Kilometer lange Route. Regelmäßig werden einsame Bauernhöfe, oder besser gesagt deren Schnaps- und Gebäckbestände, geplündert. "Mich beeindruckt vor allem das Gemeinschaftsgefühl, denn wir haben uns hier alle schon nach kurzer Zeit richtig gut verstanden", erzählt Michael Münch. Er betätigt sich in seiner Freizeit als Hobbyhistoriker und so entspricht der Wintermarsch als Vorprogramm für die im Sommer stattfindenden Wallenstein-Festspiele in Wasserburg genau seinen Interessen.

Mehrmals sind seine Kenntnisse gefordert, weil sich Hufe gelockert haben und die Pferde dadurch nicht mehr problemlos weiterlaufen können. Die fiktive bayerische Armee wird jedoch auch immer wieder von den Schweden angegriffen und aus dem Schmied in der prächtigen Uniform wird plötzlich ein Soldat mit Muskete in der Hand. Dann sind Schüsse und Kanonendonner zu hören, ehe die Menge brüllt: "Santa Maria! Der Sieg über die Protestanten ist unser." Auch wenn in Wasserburg selbst nicht gekämpft worden sei, habe man größten Wert auf Authentizität gelegt, wie Spielleiter Christian Huber schildert. Krieg, Gewalt und Anstrengungen ohne modernen Komfort stellten nun einmal Charakteristika des 17. Jahrhunderts in Europa dar. Dazu gehört auch das Kerbholz, welches jeder Teilnehmer am Hals trägt. Bei Michael Münch hat es schon bald eine erste Markierung - wegen Ungehorsams gegenüber einem Vorgesetzten. Er genießt die Geselligkeit des abendlichen Lagerlebens am Feuer und erhält sogar Besuch von einem Bekannten aus seinem Heimatdorf. "Ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, in Zukunft wieder einmal an so einem außergewöhnlichen Historienspektakel mitzuwirken."

Großer Höhepunkt des dreitägigen Wallenstein-Wintermarsches ist am Sonntagnachmittag bei strahlendem Sonnenschein schließlich der Einmarsch in die Wasserburger Altstadt. Tausende Zuschauer säumen die Straßenränder und bescheren den müden, aber glücklichen Helden einen triumphalen Empfang. Bei so manchem sorgt das für eine Gänsehaut, und auch ein glücklicher Michael Münch raunt: "Dieser Moment ist jetzt einfach nur gigantisch." Die Kanone hat ihr Ziel am Rathaus tatsächlich erreicht und mit Wehmut heißt es nun, die Zeit wohl oder übel wieder 400 Jahren nach vorne zu spulen.

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