"Eine absolute Schweinerei", "die haben doch wohl eine soziale Verantwortung", "warum wird man nicht informiert?" - bei der Forstinninger Bürgerversammlung hat es am Donnerstagabend ordentlich Aufregung gegeben. Allerdings kam sie nicht, wie vielleicht zu erwarten gewesen wäre, von Befürwortern oder Gegnern der geplanten Ortsumfahrung. Forstinning ist seit diesem Freitag ohne Apotheke - und wird wohl so schnell auch keine neue bekommen.
"Ich glaube, wir sind uns alle einig", sagte Bürgermeister Rupert Ostermair (CSU) im Rupert-Mayr-Haus: "Diese Nachricht ist eine ganz und gar unerfreuliche Sache." Eine gut erreichbare Apotheke gehöre schließlich zur Daseinsvorsorge. Nur gebe es - im Forstinninger Fall: leider - gesetzliche Regelungen. Die machten das Ganze etwas schwierig.
Tatsächlich darf ein Apotheker höchstens drei Filialen besitzen. Dadurch entsteht die etwas groteske Kausalität: Will er expandieren, muss er sich von den kleinen, meinst wenig rentablen Filialen, trennen. Und die liegen dann eben oft in kleinen Gemeinden wie Forstinning.
Selbst dieser Zusammenhang wäre alleine nicht weiter schlimm, stünden denn unkomplizierte Nachfolgeregelungen bereit. An deren Stelle kommen jedoch weitere gesetzliche Vorgaben ins Spiel. Jene Regelung, die für die Forstinninger zum Problem wird, regelt die geografische Verbreitung von Apotheken. "Dieses Gesetz besagt", erklärte Ostermair, "dass ein Apotheker nur in seinem Nachbarlandkreis weitere Filialen betreiben darf - aber nicht im übernächsten."
Der Mann würde keine Betriebserlaubnis bekommen
Dass es einen Interessenten aus dem Landkreis Landshut gibt, hilft Forstinning folglich wenig. "Da liegt halt der Landkreis Erding dazwischen. Der Mann würde bei uns keine Betriebserlaubnis bekommen." 200 Forstinninger blickten einem sichtlich frustrierten Bürgermeister entgegen.
Die aus der Bürgerschaft gleich mehrfach geäußerten Appelle an die soziale Verantwortung des Apothekers wies er allerdings entschieden zurück. Der Mann sei "ganz normaler Unternehmer", der, wie jeder andere auch, frei in seiner Standortwahl sei.
Ostermair erinnerte daran, dass die Gemeinde ja nicht von heute auf morgen komplett von der Medikamentenversorgung abgeschnitten sei: Mit der Schließung am Freitag hatte eine neue "Pick-Up-Lösung" gestartet. Dahinter steckt eine Art Apotheken-Briefkasten. Wer sein Rezept vor 14 Uhr einwirft, bekommt das Medikament noch am gleichen Tag von einem Apotheker nach Hause geliefert. Liegt das Rezept vor 19 Uhr im Kasten, kommt die Lieferung immerhin noch am folgenden Vormittag an.
"Trotzdem unternehmen wir wirklich alles erdenkliche, damit wir wieder eine richtige Apotheke bekommen", versicherte Ostermair. "Wir sind zum Beispiel hinter einer Ausnahmeregelung her." Eine Prognose abzugeben sei schwierig, Sobald er mehr wisse, gebe er Bescheid, versprach der Bürgermeister.
Uwe Scheerschmidt hatte seine Mitarbeiter schon gekündigt. Wenige Tage vor der Schließung überbrachte ihm dann ein Kollege die überraschende Nachricht.
Mut machen könnte den Forstinningern ein nicht weit zurückliegender Fall aus der Nachbargemeinde Hohenlinden. Apotheker Uwe Scheerschmidt, der im vergangenen Jahr nach 30 Jahren aufhörte, hatte erst wenige Tage vor der Auflösung der einzigen Apotheke der Gemeinde eine Nachfolgerin gefunden.
Über einen langjährigen Kollegen kam per Zufall der Kontakt zu der Augsburger Apothekerin Katharina Rorer zustande. Wenig später waren die Verträge unterzeichnet, die Betriebserlaubnis stellte lediglich eine Formalie dar. "Es ist wie ein kleines Märchen", freute sich Scheerschmidt damals. Abzuwarten bleibt, ob die Forstinninger Suche vielleicht auch so oder so ähnlich endet.