Kehraus in der Kreisstadt:Wider den Schiffbruch

Lange sah es so aus, als ob es mit dem traditionellen Umzug durch Ebersberg vorbei wäre. Mit neuem Chef und einem Dampfer lockt die Faschingsgesellschaft nun so viele Wagen und Zuschauer an wie seit Jahren nicht

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es braucht einen zweiten Anlauf, weil der Sekt stabiler ist als gedacht. Doch Smilla Gockner lässt sich nicht beirren, die 18-jährige Ebersbergerin holt noch mal aus und donnert die Flasche gegen die Schiffswand. Der "Tanker" ist getauft, als die Flasche um 12.10 Uhr zerbirst, da ist ein neues Kapitel eingeläutet.

Lange sah es so aus, als sei es mit dem traditionellen Ebersberger Faschingszug vorbei. Niemand wollte den Vorsitzenden der städtischen Faschingsgesellschaft Armin Dachgruber nach 19 Jahren ablösen. Um so überraschender kommt dieser Faschingsdienstag in Ebersberg daher: 24 Wagen und Fußgruppen schlängeln sich durch die Innenstadt, sechs mehr als im Vorjahr. Viele von ihnen sind aufwendig dekoriert, teilweise kann man gar von Kunst sprechen. Und - auch das ist ungewohnt - ein Drittel der Fuhrwerke trägt politische Botschaften. Auf dem Wagen des Ebersberger Trachtenvereins steht etwa nebst einer kiffenden Merkel-Figur "Wir paffen das". Die gescheiterte Jamaika-Koalition ist auf den Wagen das große Thema.

Und so kommt es, dass der Ebersberger Faschingszug unter Regie des neuen Vorsitzenden Robert Gockner so gut besucht ist wie seit Jahren nicht mehr. Anders als noch 2017 gibt es keinen Regen. Damals kamen 3500 Zuschauer, bei strahlendem Sonnenschein sind es nun doppelt so viele. Die Polizei schätzt 6000 bis 8000 Gäste.

18 der 24 Wagen kommen aus dem Landkreis Ebersberg, fünf aus den Nachbarregionen Rosenheim, Erding und Wasserburg. Auffällig ist das Gespann der Oberndorfer Haberfeldtreiber: Vorne sitzt eine Donald-Trump-Puppe auf einer Kanone - hinten steht ein Faschingsnarr mit täuschend echter Kim-Jong-un-Maske, bereit, den US-Präsidenten zum Abschuss freizugeben - eine Satire auf die Weltpolitik. Auf dem Wagen der Freiwilligen Feuerwehr und Landjugend Steinhöring geht es hingegen um Politik vor der Haustür. "Der Flächenfraß der Industrie macht unsere Bienen hi!", steht dort, wohl eine Anspielung, dass sich der Kreis Ebersberg zwar zum Jahr der Biene mit "Der Landkreis summt" engagiert, womöglich aber eben zu wenig. Ganz unpolitisch kommt der Wagen vom Glonner Burschenverein Schlacht daher: Ein Dixie-Klo, wo einer mit einer in Bier getränkten Klobürste die Leute bespritzt - auch sowas muss man im Fasching bisweilen ertragen.

Für die Polizei ist es trotz des Andrangs ein ruhiger Nachmittag, keine Straftaten oder gröbere Eingriffe. Nur der neue Polizeichef Ulrich Milius erlebt bei seinem ersten Ebersberger Faschingseinsatz einen Schreckmoment. Aufgefordert vom Mann am Schiffsmikrofon fängt er mit seiner Dienstmütze ein Guatl auf und stolpert versehentlich über einen Bub. Der verdrückt eine Träne. Doch als ihm Milius über den Kopf streichelt, da ist es auch schon wieder gut. Wie könnte es auch anders sein, bei so einem guten Polizistenkostüm.

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