Kabarett:Humorvolle Hommage an die Großmutter

Lesezeit: 2 min

Mit zerfleddertem Block und spitzbübischem Grinsen präsentiert "Alfons" sein neues Programm. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Vorpremiere im Alten Kino: "Alfons" arbeitet seine dramatische Familiengeschichte auf

Von Anja Blum, Ebersberg

Kein Puschelmikrofon. Keine Interviews. Zwar ist Emmanuel Peterfalvi immer noch "Alfons", die Kunstfigur mit der furchtbaren, orangenen Trainingsjacke, doch in seinem neuen Bühnenprogramm hat er sich gänzlich von seinem Fernsehformat - dem scheinbar trotteligen Franzosen, der Passanten absurde, entlarvende Fragen stellt - verabschiedet. Dafür gibt es Alfons pur: Das Ebersberger Publikum im ausverkauften Alten Kino, wo das Programm am Donnerstag seine Vorpremiere erlebte, bekam Autobiografisches mit Humor und Tiefgang serviert. Damit setzt der Kabarettist seinen künstlerischen Weg konsequent fort: In einem SZ-Interview vor einem Jahr sagte Peterfalvi, er wolle wahre Geschichten erzählen, nur eben aus der Perspektive von Alfons. Und damit die Menschen nicht nur zum Lachen bringen, sondern auch ein wenig zum Nachdenken.

Nach der Vorpremiere kann man nun festhalten: Das ist ihm wieder gelungen. In "Noch deutscherer", so der Titel des Kabarettabends, erklärt Peterfalvi sein Verhältnis zu Deutschland - konkreter: weshalb er, ein waschechter Franzose, sich im vergangenen Jahr für die Einbürgerung entschieden hat. Der 50-Jährige lebt seit 26 Jahren in Hamburg, seit November besitzt er die doppelte Staatsbürgerschaft. Wer nun jedoch ein Loblied auf das Land der Deutschen und ihre Tugenden erwartet, wird enttäuscht. Peterfalvi alias Alfons nämlich blickt, um eine Erklärung zu geben, weit zurück in seine Kindheit. Er nimmt sein aktuelles Bekenntnis zur zweiten Heimat zum Anlass, die Geschichte seiner Familie aufzuarbeiten, das Trotzdem zu begründen - und so einmal mehr zur Völkerverständigung beizutragen.

Peterfalvis Familiengeschichte ist symptomatisch für das schwer belastete deutsche Erbe: Sein Urgroßvater wurde in Auschwitz vergast, die Großmutter überlebt nur dank beherzter Flucht. Zwei Tage lang habe sie sich bei Kriegsende vor dem Abtransport aus dem KZ in einem großen Heuhaufen versteckt, erzählt Peterfalvi. Der Blick seiner Landsleute auf die Nachbarn ist, wie Alfons sagt, vor allem geprägt von alten Komödien, die wohl der Naziherrschaft ihren Schrecken nehmen sollten: Sie zeigten die Franzosen allesamt als kluge, schöne Widerstandskämpfer, die Deutschen als dumme Stahlhelmträger, die am Ende mit ihren Motorrädern im Bach landen. "Und trotzdem willst du Deutscher werden?", lässt Peterfalvi seine imaginären französischen Freunde verständnislos fragen.

Insofern macht es Alfons seinem Publikum diesmal nicht leicht. In die Pause geht man mit genau dieser Frage, sie überschattet all die humorvollen Anekdoten von brennenden Kühlschränken und allerhand mehr, die der Kabarettist bis dahin erzählt hat. Doch im zweiten Teil folgt die Versöhnung. Es ist also wie bei der französischen Post, über die Alfons mehrmals lästert: Man muss nur Geduld haben, dann wird man belohnt. Am Ende nämlich greift Alfons viele lose Fäden wieder auf und schnürt sie zu einem überzeugenden Gesamtpaket - und er erklärt sich. Die Botschaft: So etwas wie der Zweite Weltkrieg dürfe nie wieder passieren, doch Hass sei der falsche Weg. Das habe er von seiner Großmutter gelernt.

Überhaupt: Alfons' Grand-Mère - der Abend ist eine Hommage an sie. Der Kabarettist verneigt sich mit diesem Programm tief vor seiner Großmutter, beschreibt sie als unheimlich lebenslustige, kluge, mutige Frau - "mit magischen Kräften". Ihr Markenzeichen: eine "kleine Plastikfliege, die sie dressiert hatte", ein Trick mit Magnet. Wirklich jeden habe sie damit reinlegen und zum Lachen bringen können, erzählt Alfons, selbst François Mitterrand. Aber das Wichtigste: Trotz ihres KZ-Schicksals habe sie die Deutschen nicht gehasst, sogar mit einem früheren Aufseher habe sie später eine Freundschaft gepflegt. Grand-Mères Vermächtnis - die Erkenntnis, dass jeder entscheiden kann, auf was er seine "innere Taschenlampe" richtet, habe er in Form eines Briefs im Familientresor gefunden, berichtet Alfons. Der Code: die Auschwitz-Nummer auf dem Arm der Großmutter.

Als musikalischen Sidekick hat der Kabarettist die Hamburger Liedermacherin Julia Schilinski dabei, sie bereichert den Abend um Chansons und verstärkt die emotionalen Momente. Und für alle Zweifler gibt es am Ende Beweisfotos - von Grand-mère, einem verbrannten Kühlschrank und der Fliege.

© SZ vom 13.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: