Juso-Kampagne:Roter Bestseller

Die SPD kann im Landkreis auffällig viele Parteibücher ausgeben. Vielleicht, um die Große Koalition zu verhindern

Von Christoph Jänsch, Ebersberg

Mit Slogans wie "Einen Zehner gegen die GroKo" oder "Tritt ein, sag' Nein" wirbt die Jugendorganisation der SPD aktuell um Unterstützer für ihr Vorhaben, eine große Koalition im Bund zu verhindern. Denn am Ende muss der ausgearbeitete Koalitionsvertrag von der Mehrheit der etwa 440 000 SPD-Mitglieder abgesegnet werden. Von kurzzeitigen Parteibeitritten Gleichgesinnter, auf die die Kampagnen der Jusos abzielen, erhoffen sich die GroKo-Gegner also das Zünglein an der Waage für ein "Nein". Anscheinend mit Erfolg: Aus dem Landkreis Ebersberg sind allein in der vergangenen Woche 20 neue Mitgliedsanträge bei der SPD eingegangen, hat die Landtagsabgeordnete Doris Rauscher in Erfahrung gebracht. Das sind etwa zehn Mal mehr als durchschnittlich in einem vergleichbaren Zeitraum - und bei aktuell etwa 500 SPD-Mitgliedern im Kreis schon eine ganze Menge.

Neu sei das Phänomen allerdings nicht, sagt Rauscher: Bereits 2013 vor dem Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag im Bund sowie 2017, nachdem Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten nominiert wurde, habe es einen solchen Trend nach oben gegeben. Der "Schulz-Effekt" sorgte nach Angaben der SPD für 10 000 Neu-Mitglieder - innerhalb von nur fünf Wochen. Von ihnen seien auch etwa 75 Prozent bei der Partei geblieben. Damals wie heute, so erklärt der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Thomas Vogt, gingen die Mitgliedsanträge über alle Altersklassen und Gehaltsgefüge hinweg. Also entweder treffe die Kampagne der Jusos "nicht nur den Nerv junger Menschen - oder die Bewegung sei völlig losgelöst von den Kampagnen zu betrachten", mutmaßt Vogt. Fakt ist: Es ist schlichtweg nicht überprüfbar, mit welchen Absichten die Neuankömmlinge der Partei beitreten.

Der Geschäftsführer des SPD-Kreisverbands, Daniel Kalteis, hält die Kampagnen ohnehin für überbewertet. "Man sollte das nicht zu hoch hängen. Ich glaube, dass hier eher die Steigerung der öffentlichen Wahrnehmung das Ziel ist." Kalteis hält einen Parteibeitritt zur Abstimmung für "prinzipiell legitim", dennoch sollte das nicht der einzige Grund dafür sein, Sozialdemokrat zu werden. Auch die stellvertretende Vorsitzende der Jusos in Oberbayern, Magdalena Wagner aus Egmating, bleibt verhalten: "Wir sind immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern. Ich sehe das als Anstoß für diejenigen, die ohnehin beitreten wollten." Doris Rauscher hingegen hält die Kampagnen für äußerst fragwürdig: "Auf die Idee muss man erst einmal kommen." Schließlich trete man in eine Partei nicht einfach leichtfertig ein wie in einen Sportverein. "Das ist ein Bekenntnis zu seiner eigenen politischen Gesinnung", sagt Rauscher.

In einem Punkt sind sich die vier SPD-Politiker allerdings einig: Theoretisch könnten die neuerlichen Parteibeitritte bei der Abstimmung über den Koalitionsvertrag tatsächlich "das Zünglein an der Waage" bedeuten. Praktisch rechnet aber keiner von ihnen mit einem großen Einfluss auf das Endresultat. "Wir werden uns die Ergebnisse des Koalitionsvertrages sehr genau anschauen und dann eine sinnvolle Entscheidung treffen", erklärt Vogt - und ist sich sicher, dass es ein Großteil der Parteimitglieder so halten wird.

Dass auch die Junge Union (JU) kampagnentechnisch mithalten kann, unterstreicht der rheinland-pfälzische Landesverband mit der Gegenbewegung #SeikeinKevin . Mit diesem Slogan greift der Unions-Nachwuchs bewusst den leidenschaftlichen GroKo-Gegner und Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert an und wirbt stattdessen für eine Mitgliedschaft bei der Jungen Union.

Auch die Junge Union im Landkreis Ebersberg hat den Facebook-Post ihrer rheinland-pfälzischen Kollegen geteilt. Inhaltlich stimmten sie mit der Kampagne überein, sagt der stellvertretende Ebersberger Kreisvorsitzende Alexander Gressierer. Allerdings räumt Gressierer ein, dass die Art und Weise "schon recht fragwürdig" sei. JU-Kreisvorsitzender Michael Huber verteidigt aber die Vorgehensweise: "Beide Bewegungen, die der Jusos und unsere eigene, sind gut, da wir damit eine eigene politische Meinung zum Ausdruck bringen." Zudem spreche die aktuelle mediale Aufmerksamkeit für diese Kampagnen besonders junge Leute an und werbe unter ihnen für mehr Teilnahme an der Politik, sagt Huber.

Der Einfluss der Juso-Kampagnen könnte allerdings durch einen Beschluss des SPD-Parteivorstandes vorsorglich limitiert werden. Mit der Festlegung eines Stichtags könnten beim Mitgliederentscheid nur Genossen ihre Stimme abgeben, die der Partei rechtzeitig beigetreten sind. Das ist durchaus ein übliches Prozedere, bereits 2013 wurde so verfahren. Und die Vorgehensweise ist auch plausibel: "Das ist eine organisatorische und logistische Notwendigkeit, da die Mitgliederentscheide gedruckt und verschickt werden müssen", erklärt Magdalena Wagner. Rein formal könnte der Stichtag auch in der Vergangenheit liegen. Den Berichten aus Berlin zufolge sei die Partei aber grundsätzlich daran interessiert, so viele Mitglieder wie möglich zur Abstimmung zuzulassen. Für diesen Montag wird der Beschluss des Parteivorstands über den Stichtag erwartet.

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