Junge Erwachsene bringen sich ein:Auf der Suche nach Orientierung

50 Jahre Freiwilliges Soziales Jahr

Hier beteiligen sich junge FSJlerinnen am Aktionstag "FSJ schafft neue Perspektiven". Wer ein Soziales Jahr absolviert, erwirbt meist wertvolle Softskills.

(Foto: Erzbischöfliches Jugendamt München und Freising)

Das Interesse an einem Freiwilligen Sozialen Jahr wächst bei Jugendlichen stetig an. Trotzdem bekunden verschiedene Trägerstellen im Landkreis Schwierigkeiten, Kandidaten zu finden. Das Problem sei der geringe Bekanntheitsgrad der unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Papierflieger basteln, Geburtstagslieder singen, das Alphabet üben oder Streitereien schlichten und manchmal auch einfach herumtoben: Viele Jugendliche aus dem Landkreis entscheiden sich, nach ihrem Schulabschluss genau diese Dinge zu tun - und zwar im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres, kurz FSJ. "Ab September haben wir 15 neue FSJler - alle im Kindertagesstättenbereich", sagt Ulrike Bittner, Geschäftsführerin des Kreisverbandes Ebersberg der Arbeiterwohlfahrt und freut sich. Denn gleich fünf ihrer FSJ-Neulinge sind junge Männer; bei einer Berufssparte, in der wesentlich mehr Frauen als Männer beschäftigt sind, ist das ein guter Schnitt.

In diesem Herbst werden zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene im Landkreis ihr FSJ antreten. Im vergangenen Projektjahr 2014/2015 haben sich bayernweit 3948 junge Freiwillige im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres engagiert, wie Heike Baumann von der Pressestelle des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Integration mitteilt. Etwas mehr als 2500 junge Frauen und knapp 1450 Männer waren im Einsatz; also etwa 200 Jugendliche mehr als im Jahr zuvor. Und der Trend scheint sich weiterhin aufwärts zu bewegen.

Das FSJ richtet sich an 16- bis 26-Jährige, die nach Vollendung ihrer Vollzeitschulpflicht einen Freiwilligendienst im Rahmen eines Bildungs- und Orientierungsjahres leisten möchten. Inzwischen können sich die jungen Männer und Frauen auch im Kulturbereich, in der Denkmalpflege, im Sport oder in der Politik engagieren statt, wie vor einigen Jahren, nur im sozialen Bereich. Trotzdem verrichten nach Aussage Baumanns die meisten FSJler in Bayern ihren Dienst noch immer in sozialen Arbeitsbereichen, wobei sich "deutlich mehr als die Hälfte der Freiwilligen für Kinder und Jugendliche oder Menschen mit Behinderung engagiert".

Die Erfahrungen der Trägereinrichtungen im Landkreis bestätigen das. In den Kindergärten und Kindertagesstätten des Kreisverbands Ebersberg des Bayerischen Roten Kreuzes waren Ende August vier der fünf ausgeschriebenen FSJ-Stellen bereits besetzt. Auch wenn einige Jugendliche erst recht spät auf ein FSJ aufmerksam werden, wie Elisabeth Seibl-Kinzlmaier, stellvertretende Geschäftsführerin und Bereichsleiterin Soziales des BRK Kreisverbandes, berichtet. Im Kita-Bereich absolvieren sie oftmals ihr FSJ, weil sie im Anschluss daran ein Sozialpädagogik-Studium oder eine Erzieher-Ausbildung anstreben. "Oftmals haben die jungen Menschen nur wenig bis gar keine Vorstellung davon, was in diesen Berufen auf sie zukommt", erzählt Seibl-Kinzlmaier. Ein FSJ gibt ihnen die Möglichkeit, einfach mal hinein zu schnuppern. "Die FSJler nutzen dieses Jahr zur Orientierung und zum Ausprobieren: Ist dieser Beruf der richtige für mich? Was mache ich jetzt weiter?"

Über zu wenig Bewerber kann sich auch Ulrike Bittner von der AWO nicht beklagen. "Wir haben schon jetzt die ersten FSJ-Anfragen mit Beginn zum September 2016", erzählt sie. Und das, obwohl der AWO-Kreisverband in Ebersberg nicht viel Aufwendungen für externe Ausschreibungen der Stellen betreibt. Da zahle es sich wohl aus, dass man schon seit langem viele Einsatzmöglichkeiten für FSJler anbiete.

Etwas anders sieht es in der Gemeindebücherei Vaterstetten aus. "Wir haben jedes Jahr große Schwierigkeiten, Kandidaten zu finden", offenbart Christine Walser, Leiterin der Gemeindebücherei. "Wer ein FSJ im Kulturbereich machen möchte, der hat Theater oder Museen im Kopf und nicht unbedingt eine Bibliothek." Dabei hat die Bücherei in Vaterstetten ihren FSJlern einiges zu bieten. Das reicht weit über die Unterstützung bei der Verwaltung des Bestands von mehr als 25 000 Medien und der Mithilfe bei der Organisation verschiedener Veranstaltungen für die umliegenden Schulen, Kindergärten und andere Zielgruppen hinaus. So liege es auch in der Verantwortung des jeweiligen FSJlers, eine kleine Zweigstelle in der Grund- und Mittelschule zu betreuen, wie Walser erzählt. Für jeden FSJler sei dies bislang immer eine der Höhepunkte gewesen. "Bisher haben wir noch immer einen passenden Freiwilligen gefunden", sagt sie und zeigt sich für die Zukunft zuversichtlich.

Ähnliche Schwierigkeiten hatte der WSV Glonn bei seiner Bewerbersuche. "Zwei Monate lang hatten wir eine Ausschreibung auf der Website der Bayerischen Sportjugend und auf unserer eigenen. Erst im allerletzten Moment haben wir jemanden gefunden", berichtet Trainer Gregor Schober. Bayernweit gäbe es zirka 400 FSJ-Stellen im Sportbereich; davon fallen nur recht wenige auf Skiclubs oder Wintersportvereine, wie Schober sagt. "Da denken viele FSJ-Interessierte einfach nicht dran!" Zu der allgemeinen Unterrepräsentiertheit der Wintersportvereine komme noch erschwerend hinzu, dass Glonn in diesem Jahr zum ersten Mal eine FSJ-Stelle ausgeschrieben hatte.

Mit einigen wenigen Stellen ist auch das FSJ in der Denkmalpflege vertreten. Wohnortsflexibilität sei hier von den Bewerbern gefragt, denn "von den ohnehin insgesamt nur 300 Plätzen im Bund fallen gerade einmal 22 FSJ-Stellen auf Bayern", erklärt Christoph Bücker von der Jugendbauhütte Regensburg, Träger des FSJ Denkmalpflege in Bayern. Im Landkreis Ebersberg ist kein einziger dieser Plätze angesiedelt.

Doch insgesamt sind Freiwillige Soziale Jahre für junge Menschen attraktiv - nicht nur für junge Erwachsene in Deutschland. Auch immer mehr Jugendliche aus anderen Ländern absolvieren ein FSJ in Bayern. "Viele davon haben zuvor ein Au Pair hier gemacht und möchten ihre Sprachkenntnisse weiter vertiefen, um im Anschluss daran ein Studium oder eine Ausbildung in Deutschland aufzunehmen", wie Sabine Pflumm, Bereichsleitung der Inlandfreiwilligendienste des Internationalen Bundes ergänzt.

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