Jubiläum:Für immer jung

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Der Poinger Burschenverein "Immergrün" feiert sein 100-jähriges Bestehen. Seit 1918 verbringen die Mitglieder ihre Freizeit miteinander und hüten Tradition wie das Maibaumaufstellen. Wer dabei sein will, darf allerdings nicht verheiratet sein

Von Christoph Jänsch, Poing

Lässig rauchend lehnen die beiden jungen Männer an der Fassade ihrer Stammkneipe. Heute sind sie nicht in ihrer Miesbacher Tracht unterwegs, sondern zivil. Der eine trägt Dreitagebart und dunkle Kurzhaarfrisur, der andere einen blonden Seitenscheitel. Beide haben derbe Winterboots und Jeans an, dazu Wolljacke und Hemd. Innen, in der Café Station Poing, sitzt bereits ein dritter Bursche, der nicht nur mit dem gleichen Vornamen eine gewisse Ähnlichkeit zum selbsternannten Volks-Rock'n'Roller Andreas Gabalier aufweist. Optisch machen die drei Jungs schon mal einen urigen Eindruck. Das passt. Felix Stocker, Vorsitzender des Burschenvereins, dessen Stellvertreter Andreas Dreyer und Lukas Nick, der im Vorstand Beisitzer ist, sind drei der Mitglieder des Burschenvereins "Immergrün" Poing-Angelbrechting e.V., die sich die Zeit für ein Interview genommen haben. Und Zeit braucht es auch, schließlich sind 100 Jahre Burschenverein zu besprechen.

In diesem Jahr feiern die Immergrünen ihr Jubiläum. Seinen Ursprung hat der Verein demnach im Jahre 1918, als sich nach dem Ersten Weltkrieg 22 junge Männer die Burschentruppe "Immergrün" gründeten. Dreyer vermutet, dass dies in die Heimat zurückgekehrte Soldaten waren, die sich zusammenschlossen. Die erste Fahne des Vereins, die 1924 feierlich geweiht wurde, weht auch heute noch bei den Poingern. Und das ist äußerst selten, wie der stellvertretende Vorsitzende erzählt. Denn infolge des Verbots vieler Vereine und Organisationen während des Zweiten Weltkriegs seien auch deren Flaggen verbrannt worden. Auch die Poinger Burschen wurden verboten, doch von der Fahne ist glücklicherweise nur der Rahmen verbrannt, das Herz aus Stoff blieb vollständig erhalten, berichtet Dreyer. Sie werde daher, nach mehrmaliger Reparatur, bis heute genutzt. Auf ihrer Vorderseite ist das Dorf Poing, auf ihrer Rückseite der Heilige Georg zu sehen.

Über Mitgliedernachwuchs kann sich der Burschenverein nicht beklagen, wie das Gruppenbild dokumentiert. (Foto: Christian Endt)

Doch was machen die Burschen eigentlich in ihrem Vereinsleben? Zunächst einmal seien sie Hüter von Traditionen, erklärt Stocker. "Wir treffen uns nicht mehr an einem fest vereinbarten Wochentag. Das hat sich irgendwann mal verlaufen", sagt Stocker. Doch träfen sich viele von ihnen zwei bis drei Mal die Woche, weil sie "wie eine große Familie" seien. "Zusammenhalt und Gemeinschaft sind uns sehr wichtig", sagt Stocker. "Wir ergänzen uns super, hier hilft jeder jedem."

Zu den beständigen Programmpunkten der Burschen gehört seit 45 Jahren das Weinfest, auch bei Festen der Gemeinde sind sie vertreten. Sie schmücken um die Weihnachtszeit den Christbaum der Poinger St. Michael Kirche und sind alle fünf Jahre verantwortlich für das Maibaumaufstellen. Aus den Einnahmen von vor drei Jahren konnten die Burschen großzügig eine gemeinnützige Einrichtung, die MS-Selbsthilfegruppe Poing, finanziell unterstützen. Außerdem unternehmen die Junggesellen, gemeinsam Ausflüge und jedes Jahr einen gemeinsamen Urlaub. All diese Unternehmungen werden vom Verein bezuschusst. "Ohne uns wäre in den Gemeinden kaum etwas los", sagt Andreas Dreyer und spricht dabei auch für die benachbarten Burschenvereine. Diese verstünden sich untereinander "sehr gut", so Dreyer weiter. Man besuche sich natürlich auch gegenseitig auf den jeweils heimischen Festen, berichten die drei Burschen. Aber sie treiben auch ihre traditionellen Streiche und Spielchen miteinander. Wie zum Beispiel den Diebstahl des Maibaums der benachbarten Burschen, um dann Bier und Brotzeit als Gegenleistung auszuhandeln. Vor fünf Jahren sei den Poinger Burschen sogar der Diebstahl von zwei Maibäumen gelungen, berichten die drei stolz.

Im Jahr 1924 feiert der katholische Burschenverein "Immergrün" Poing-Angelbrechting e.V. die erste Fahnenweihe. (Foto: Christian Endt)

Vom 16. Lebensjahr an dürfen männliche Jugendliche dem Verein beitreten. Da der Burschenverein einen katholischen Hintergrund hat, scheidet man mit der kirchlichen Trauung aus dem Verein aus. Die Alt-Burschen wechselten dann meist in den Trachtenverein über, erzählt Lukas Nick. Männer, die ausschließlich auf dem Standesamt oder überhaupt nicht heiraten, dürften theoretisch bis ins hohe Alter ein Bursche bleiben. Die meisten ziehen sich dann aber nach und nach aus dem Vereinsleben zurück und bleiben passives Mitglied. Das älteste Mitglied der "Immergrünen", der Burschenopa, wie er von seinen Mitburschen gerne mal liebevoll genannt wird, ist bereits 57 Jahre alt. "Er ist aber nicht mehr wirklich oft dabei", räumt Burschenchef Felix Stocker ein.

115 aktive Mitglieder zählen die Poinger Burschen aktuell. Probleme, Nachwuchs zu finden, gebe es nicht, sagt Stocker: "Das ist Wahnsinn!" Allein in den vergangenen drei Jahren seien 30 neue Mitglieder aufgenommen worden.

Zum runden Geburtstag nun haben sich die Verantwortlichen im Vorstand etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Sie veranstalten ein fünftägiges Jubiläumsfest, das vom 17. bis 21. Mai auf dem Festplatz in Poing stattfindet. Dabei ist von Festzeltmusik über Kabarett, Fahnenweihe und Oldtimertreffen bis hin zur Party für jeden Gast etwas geboten. Höhepunkt der Burschensause ist ein Kabarettabend mit Wolfgang Krebs am Samstag, den 19. Mai.

Andreas Dreyer, Lukas Nick und Felix Stocker (von links) sind die Chef-Burschen. (Foto: Christian Endt)

Wo es Karten gibt und weitere Informationen zu den Burschen und dem Fest finden sich unter www.bv-poing.de .

© SZ vom 07.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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