Jahresausstellung des Kunstvereins:Die Wucht der Natur

Viele Teilnehmer entdecken das Thema Landschaft neu. 66 Werke sind in der Alten Brennerei zu sehen, die Juroren stellen im Grundbuchamt aus

Rita Baedeker

Jahresausstellung des Kunstvereins: Geheimnisse des Mandelkerns: "Amygdala" heißt dieses Hinterglasbild von Maja Ott, in dem Gehirn, Knochen, Pflanzliches und andere Lebensformen an die Evolution des Menschen erinnern.

Geheimnisse des Mandelkerns: "Amygdala" heißt dieses Hinterglasbild von Maja Ott, in dem Gehirn, Knochen, Pflanzliches und andere Lebensformen an die Evolution des Menschen erinnern.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

EbersbergEinem Trend folgend, nach dem Großstadtmenschen neuerdings begeistert auf kleinstem Raum, auf Dächern, Mauern und Fensterbrettern ihr Gärtchen bestellen, Karotten und Zucchini pflanzen, entdecken auch Künstler das Thema Landschaft neu. Einige, die ihre Arbeiten von Samstag an in der jurierten Jahresausstellung des Kunstvereins Ebersberg in der Alten Brennerei und im Grundbuchamt zeigen, widmen sich traditionellen Formen ländlicher Kultur, reflektieren sowohl die Rolle des Menschen in der Natur als auch die Macht der Natur und des evolutionären Erbes über den Menschen. So in besonders ästhetischer Weise die Moosacher Malerin Maja Ott in ihrem großen Hinterglasbild "Amygdala", dem auch als "Mandelkern bezeichneten und für die starke Gefühle zuständigen Teil des Gehirns.

Die Ausstellung war bayernweit ausgeschrieben worden. Unter den 282 eingereichten Werken hat die fünfköpfige Jury 66 ausgewählt. "Es gab viel Diskussion unter den Juroren; manches wurde aus Platzgründen ausjuriert oder weil es nicht ins Konzept passte", sagt Kunstvereinsvorsitzende Karin Dohrmann. "Darunter auch Arbeiten von hoher Qualität."

Die Juroren - Maria Rucker, Ruth Mairgünther, Alexandra Hendrikoff, Geraldine Frisch und Moritz Michels - haben bei der Hängung viel gestalterisches Feingefühl bewiesen und atmosphärisch dichte Verbindungen geschaffen. Kleinformatige Serien finden sich neben starken Einzelstücken, Raum, Farbe, Form, Komposition, Bewegung korrespondieren auf verschiedenen Ebenen. Die Chemie stimmt. Es bleibt Luft zum Schauen und Atmen, es öffnen sich überraschende Blickachsen, etwa wenn ein Durchgang zwischen zwei Räumen den Rahmen bildet für die gut zwei mal ein Meter große Grafit-Zeichnung "Aschau" von Michael Herden. In kräftigen Linien zeichnet der Künstler eine Gebirgskulisse, im Vordergrund das Band einer Straße, die zu fließen scheint, so wie ein reißender Strom oder Straßenverkehr im Zeitraffer.

Jahresausstellung des Kunstvereins: Bei Hubert Maiers "Dampfer" aus grauem Granit bildet der aus den Schornsteinen aufsteigende Rauch eine kompakte Figur.

Bei Hubert Maiers "Dampfer" aus grauem Granit bildet der aus den Schornsteinen aufsteigende Rauch eine kompakte Figur.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Einige Künstler haben Bewegung und Geschwindigkeit zur starren Momentaufnahmen eingefroren. Bei Franziskus Schmid aus Aying und seinem Acrylbild "Running Spirits" sind es zahllose Farb-Rinnsale, die zu einem Geflecht aus ineinandergreifendem Gelb und Schwarz geronnen sind. Ebenso faszinierend die Arbeit des Steinbildhauers Hubert Maier aus Moosach: Wer seine hellgraue Granitskulptur betrachtet, mag darin zunächst eine Tiergestalt erkennen - ein Kamel mit drei Beinen? Aber nein: Das vermeintliche Kamel ist Stein gewordener Rauch, der aus den drei Schornsteinen eines zweistöckigen Dampfers quillt und sogleich versteinert. "Dampfer" lautet auch der Titel der Plastik. Maier hat sich von der Form des Granitbrockens, den er irgendwo gefunden hat, inspirieren lassen.

In sitzender Haltung erstarrt wirkt auch der schwarz vermummte Mann auf den beiden Fotoarbeiten des Münchner Künstlers Peter Baumbach. Wie ein Eindringling, der stört, aber nicht weiter von Belang ist, sitzt oder liegt der gesichtslose Mensch auf einer Bank unter hohen Bäumen. Auf dem ersten Foto sind die Äste und Zweige im Vordergrund kahl, einer Bauruine gleich die nackten Stämme der Bäume. Auf dem zweiten Motiv formen Landschaft, Blätter und See gemeinsam das "Grün von tausend Bergen", so der poetische Titel.

Jahresausstellung des Kunstvereins: "Das Grün von tausend Bergen": Fotoarbeit von Peter Baumbach.

"Das Grün von tausend Bergen": Fotoarbeit von Peter Baumbach.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Eine Bewegung von monströser Dimension hat Stefan Duttenhofer festgehalten. "Marianne legt ihr Neugeborenes unbemerkt in die Kühltruhe" lautet der Titel der Arbeit. In einem Kellerraum im Puppenstuben-Format steht zwischen Holzregalen und besagter Truhe eine Frau da wie festgefroren, den Kopf leicht erhoben, den Blick in die Ferne gerichtet. Gerade eben hat sie ein Verbrechen begangen. Wird sie schreien, weinen, die Tat ungeschehen machen? Der Betrachter ist aufgerufen, die Geschichte weiterzudenken.

Gänsehaut erzeugt auch Otto Schindler. "Lippi, so bin ich gar nicht!" heißt seine zweiteilige Fotoarbeit. Auf dem ersten Bild zeigt Schindler eine Höhle mit Felsen und Geröll, vermutlich in den italienischen Dolomiten, wo im Ersten Weltkrieg erbittert gekämpft wurde. Daneben hängt das mehrschichtige Porträt eines jungen Mannes, der gleichzeitig Zivil (Sakko und Krawatte) und Uniform trägt. Sein Gesicht ähnelt einem Selbstporträt des italienischen Malers Filippo Lippi. In Schindler Fotoarbeit ist die alpine Landschaft Zeugin von Tod und Zerstörung, der Mensch dagegen will verdrängen, sich neu erfinden und trägt doch seine Geschichte stets in sich.

Vernissage der Ausstellung ist Samstag, 2. März, 18 Uhr, in der Alten Brennerei Ebersberg. Bei der Eröffnung werden der Kunstpreis der Stadt und der Förderpreis der Firma Boesner Forstinning verliehen. Die Juroren-Ausstellung im Grundbuchamt öffnet um 19.30 Uhr. Dauer: bis 1. April, freitags 18 bis 20 Uhr, Samstag, Sonn- und Feiertag 14 bis 18 Uhr. Das Grundbuchamt ist freitags geschlossen.

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