Ismaning:Schwere Geburt

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Der Zweckverband der Schwangerenberatung wird einen Austritt von Ebersberg und Erding kaum befürworten

Die Gründe, warum sich eine Frau mit dem Gedanken trägt, ihr Kind nicht zu bekommen, können vielfältig sein: In der Partnerschaft stimmt es nicht mehr, wegen des Alters besteht entweder eine Risikoschwangerschaft oder die Mutter ist zu jung und muss erst noch Schule und Ausbildung zu Ende bringen, der Vater lehnt die Verantwortung ab und es droht ein Leben als Alleinerziehende samt Schulden oder Arbeitslosigkeit. Die Mitarbeiter der Schwangerenkonfliktberatung in Ismaning stehen Betroffenen bei - und im besten Fall können sich die Frauen nach der Sprechstunde vorstellen, doch Ja zu sagen zu ihrem Kind.

Der Zweckverband Kommunale Schwangerenberatung für die Region München Nord-Ost ist eine staatlich anerkannte Schwangerenberatungsstelle und als solche seit mehr als 40 Jahren eine Anlaufstelle für die Themen Schwangerenberatung, Familienberatung und Sexualpädagogik in den Landkreisen Ebersberg, Erding, Freising und München. Dem Landkreis München obliegt die Geschäftsleitung des Zweckverbands, welcher unter der Aufsicht der Regierung von Oberbayern steht. Die Familienberatung Ismaning versieht diese Aufgabe, an ihrem Stammsitz in der Gemeinde und mit Außensprechstunden in Freising, Erding und Ebersberg. 2014 hat sie insgesamt 3041 Beratungsstunden geleistet - ein Anstieg um 200 gegenüber dem Jahr davor, wie es in der Bilanz der Familienberatung heißt.

Aus Ebersberg gibt es immer wieder Signale, aus dem Zweckband, dem auch die Gemeinden Ismaning und Unterföhring sowie die Stadt Garching angehören, aussteigen zu wollen. Seit 2003 möchten die Ebersberger die Koalition verlassen, bislang vergeblich. Im November soll ein neuer Anlauf gestartet werden. Im Landratsamt Ebersberg bestehen Zweifel, dass von dort viele Frauen den Weg nach Ismaning auf sich nehmen. Schließlich gibt es auch das Beratungsangebot im Ebersberger Gesundheitsamt und regelmäßige Sprechstunden von Donum Vitae in Haar und Poing. "Und die Anbindung nach Ismaning ist auch nicht so ideal", sagt Stefanie Geisler, Leiterin der Abteilung Bildung und Soziales im Landratsamt Ebersberg.

Im Vergleich zu den Kreisen München und Freising, die den Zweckverband heuer mit jeweils mehr als 63 500 Euro finanzieren, überweist Ebersberg mit 26 500 Euro nicht einmal die Hälfte. In manchen Jahren war es auch noch weniger, aber auch Ausschläge nach oben gab es: 2010 etwa waren es fast 45 000 Euro. Es geht dem Landratsamt Ebersberg laut Abteilungsleiterin Stefanie Geisler nicht darum, Geld zu sparen. Vielmehr wolle man es für den gleichen Zweck sinnvoller nutzen. Wohnortnäher eben. Die Vermutung liegt also nahe, dass der Kreis Ebersberg vergleichsweise viel Geld für vergleichsweise wenige Beratungen zahlt - belegen kann er das freilich nicht: Der Zweckverband, dessen Geschäftsstelle im Landkreis München angesiedelt ist, verweigert bisher konsequent Informationen darüber, wie viele Frauen aus dem Kreis Ebersberg das Beratungsangebot überhaupt nutzen.

Mit ihrem kritischen Kurs sind die Ebersberg nicht allein: Auch im Nachbarlandkreis Erding sieht man den Zweckverband skeptisch und erwägt einen neuerlichen Austrittsversuch. Im Münchner Landratsamt lässt man sich von diesen Ausstiegsideen indes nicht stressen. "Uns liegt kein Austrittsgesuch vor", heißt es von Sprecherin Franziska Herr. Dem Landkreis sei sehr daran gelegen, den Bürgerinnen und Bürgern eine umfängliche und kontinuierliche Beratung zu bieten. Für schwangere Frauen - und in der Folge oftmals auch für ihr Umfeld - ändert sich das Leben oft schlagartig. Neben der Vorfreude tauchen in diesem Moment häufig unzählige Fragen, manchmal auch Zweifel oder Ängste auf. Umso wichtiger sei es, dass diesen Frauen und ihren Familien dann ein breites und umfassendes Beratungsangebot verschiedener Träger zur Verfügung stehe, damit sie sich in dieser ungewohnten Situation zurechtfinden. Der Landkreis München sieht den Zweckverband deshalb als nützliche Organisation innerhalb der Familienberatung und Familienhilfe an. Diese Meinung teilen auch die Freisinger: "Mit der Arbeit der Familienberatungsstelle Ismaning sind wir sehr zufrieden", berichtet Eva Dörpinghaus, Sprecherin von Landrat Josef Hauner. Man hege keine Austrittsgedanken.

Die Unzufriedenheit zweier Mitglieder wird wohl kaum unter den Tisch fallen. Anzunehmen, dass es in der nächsten Sitzung des Verbandes eine Aufschlüsselung von Fallzahlen, zum Beratungsspektrum und zu den Zielgruppen geben wird. Ob das die Ebersberger und Erdinger besänftigt, bleibt offen. Die Hürden für einen Austritt sind allerdings hoch. Eine Kündigung ist in der Regel nur mit einer Zweidrittelmehrheit in der Verbandsversammlung möglich. Die Landkreise München und Freising sowie die Kommunen Garching, Ismaning und Unterföhring dürften kaum ihr Plazet geben: "Wir befürworten das weitere Bestehen des Zweckverbandes", sagt Franziska Herr vom Münchner Landratsamt.

© SZ vom 18.10.2016 / moo, sab - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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