Infoveranstaltung für Kommunalpolitiker:Sprung in die dritte Dimension

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Grafing macht vor, wie 3D-Modelle die Stadtplanung revolutionieren können

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die imaginäre Kamera schwebt in der Vogelperspektive über der Nürnberger Innenstadt. Dann lässt Frank Hümmer von der bayerischen Vermessungsverwaltung per Mausklick vier, fünf Häuser verschwinden. In die Baulücke schiebt er das digitale Modell des neuen Gebäudes. Die Daten, natürlich kompatibel, kommen direkt vom Architekten. "Und so würde es sich dort einfügen, wenn wir noch ein Stockwerk draufsetzen." Wieder nur ein Klick mit der Maus. Die Gebäudehöhe steigt, der Schattenverlauf wächst mit.

Was Hümmer da am Donnerstagabend per Beamer an die Wand der Grafinger Grundschulmensa geworfen hat, war keine technische Spielerei zum Zeitvertreib. "Das wird die Art und Weise sein, wie Kommunen künftig ihre Stadtentwicklung planen." Per plastischer Darstellung, die all das greifbar macht, was aus bisherigen 2D-Plänen nur mit Expertenblicken herauszulesen ist. "In großen Gemeinden sind die 3D-Modelle inzwischen ein absolut gängiges Tool." Der nächste Schritt sei, sie auch für kleinere Gemeinden nutzbar zu machen.

Dass Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) zu der Infoveranstaltung für etwa 30 Bürgermeister und Gemeinderäte aus dem Umkreis eingeladen hatte, liegt daran, dass Grafing bei der Sache schon vergleichsweise weit ist. Das hängt zusammen mit einem Zukunftsstadt-Wettbewerb des Bundesforschungsministeriums, an dem sich die Stadt beteiligte. Zwar war mit ihrer Idee eines 3D-Bürgerbeteiligungs-Stadtplanungsmodells gegen die Projekte der Großstadtkonkurrenz in der zweiten Runde Schluss. Doch merkte man im Grafinger Rathaus schnell, zu was die 3D-Visualisierung so alles fähig sein könnte.

Das Unternehmen Cadfem, dessen Zentrale schräg gegenüber vom Rathaus liegt, ist daran nicht unbeteiligt. Über die virtuelle Produktentwicklung - beispielsweise simulierte Crashtests am Computer - groß geworden, zählt die Firma mittlerweile weltweit mehr als 500 Mitarbeiter. "Die Zeit ist reif, das Prinzip der Simulationen auch im Bauwesen anzuwenden", erklärte Unternehmensgründer und Senior-Chef Günter Müller.

Dass er Geld und Arbeitszeit seiner Mitarbeiter in Projekte wie die Grafinger Zukunftsstadt steckt, ist freilich auch eine unternehmerische Investition. "Im Gegenzug bekommen wir eine ganz direkte Rückmeldung von den Leuten, die damit arbeiten." Die zahle sich bei Projekten aus, die noch kommen. Ökonomen nennen so etwas Win-win-Geschäft.

Ein solches sei es auch deshalb, sagte Vermessungsspezialist Hümmer, weil Gemeinden für ihre 3D-Stadtmodelle nicht aufwendig Daten erheben müssten. "Der Freistaat nimmt ordentlich Geld in die Hand und lässt Bayern regelmäßig und flächendeckend mit hochauflösenden Kameras und Laserscannern befliegen." Rechner setzen die Daten und Bilder zu einer dreidimensionalen Punktwolke zusammen. Richtig eingefärbt, entsteht ein komplexes digitales Stadtmodell. Jede Geländenivellierung, jeder Baum und jede Dachneigung sind darin zentimetergenau hinterlegt.

Gemeinden und Städte haben gegen einen kleinen Unkostenbeitrag Zugriff darauf. Hümmer zufolge liegen die Kosten in Städten wie Grafing bei einem niedrigen dreistelligen Eurobetrag. Wenn man sie dann in eine Benutzeroberfläche einbinde und sie mit Funktionalitäten ausstatte, könnten Stadtverwaltungen Planungsentwürfe in Baulücken setzen und vergleichen, Sichtachsen aus Fußgängerperspektive betrachten, Lärmbelastungen oder Schattenverläufe simulieren. Letztere sogar von bewegten Objekten wie Windradflügeln. Grafing nutzte die Software bereits, um drohende Überschwemmungen zu simulieren und nötige Wasserrückhaltebecken möglichst passgenau auszulegen.

© SZ vom 30.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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