In einer Nacht- und Nebelaktion:Quälender Boykott

Tierschützer beschädigen Plakate des Zirkus Feraro, der in Grafing gastiert. Die Artisten sind erzürnt, ist die Haltung doch nachweislich artgerecht

Carolin Fries

Hermann Schmidt-Feraro ist wütend - und traurig. "Das ist doch Rufmord", sagt der Zirkusdirektor und zeigt auf die Plakate, die das Familienunternehmen Feraro vor etwa zwei Wochen in Grafing aufgehängt hat - und die in der Nacht auf Donnerstag zum Großteil überklebt wurden. "Abgesagt wegen Tierquälerei", steht da nun auf leuchtendem Gelb. Zu der Aktion bekennen sich Tierschützer, die sich am Donnerstag mit einer E-mail an die SZ-Redaktion gewandt haben. Auf diesem Wege sollten "Missverständnisse aus dem Weg" geräumt werden: "Dies wurde nicht aus Langeweile oder dergleichen gemacht, sondern um den Tieren eine Stimme zu verschaffen."

"Unseren Tieren geht es gut", sagt Hermann Schmidt-Feraro. Das bestätigt Norbert Neugebauer, Leiter des Landratsbüros. 2011 und 2012 habe die Leiterin des Veterinäramts, Birgitt Huber, die Tierhaltung bei unangekündigten Kontrollen überprüft und einen "sehr gut geführten Betrieb" dokumentiert. Vor allem die Reptilien-Haltung sei vorbildlich gewesen. Schmidt befürchtet dennoch, dass das Publikum nun ausbleibt und in der Folge die Kasse leer ist. "Wo wir es gerade noch mit dem letzen Pfennig aus dem Winterquartier nach Grafing geschafft haben."

Auf der Wiese der Brauerei "Wildbräu" startet der Zirkus heute Abend in die Saison. Die 25 Mitglieder der Großfamilie werden zusammen mit zehn Pferden, zwei Lamas, sechs Ziegen, acht Tauben und drei Riesenschlangen in der Manege stehen und ihre Kunststücke darbieten. Weitere Vorstellungen sind für Samstag, Sonntag und Montag angesetzt. "Jetzt wissen wir gar nicht, was wir machen sollen", sagt Schmidt-Feraro. Er hat versucht, die Plakate wieder von den Aufklebern zu befreien, teilweise vergeblich. Rund 30 der 60 nagelneuen Plakate seien kaputt, Schmidt-Feraro schätzt den Schaden auf rund 500 Euro. Er hat deswegen die Ebersberger Polizei informiert, Anzeige hat er nicht erstattet. "Was soll das bringen?", fragt er. Die Antwort kennt er. Denn vor zwei Jahren, als der Zirkus in Ebersberg gastierte, hat er ein solches Szenario schon einmal erlebt. Auch damals wurden Plakate von einem Tag auf den anderen überklebt. Schmidt-Feraro erstattete Anzeige, ein paar Monate später "hat man mich informiert, dass das Verfahren eingestellt wurde". Diesmal habe er die Beamten darum gebeten, bei Streifenfahrten auch die Zirkusplakate im Auge zu behalten. Denn in Ebersberg macht der Zirkus Ende Mai wieder Station.

"Das passiert uns nur hier im Landkreis", erzählt Schmidt, der mit seinem Betrieb seit Jahren durch die Landkreise Ebersberg, Erding, Freising, Mühldorf und Rosenheim tourt. Neben dem Zirkus Feraro wurde 2011 auch der Zirkus Alberti von Tierschützern angegriffen. Sie stürmten eine Vorstellung und kritisierten die Haltung eines Bären. Ebersbergers Grüne schlossen sich damals der Kritik an und beantragten im Stadtrat eine "spezielle, erhöhte Versicherungsgebühr" für Zirkusunternehmen mit Wildtieren", scheiterten damit aber. "Es geht uns um die Tiere", betont Stadträtin Rosemarie Will. Für sie ist nicht ausschlaggebend, ob ein Zirkus nach der Zirkusregisterverordnung handelt und die Haltung der Tiere durch Veterinäre prüfen lässt, wie es auch der Zirkus Feraro macht. "Die Gesetze sind das Problem", sagt Will. "Die sind nicht für den Tierschutz."

Mit den Tierschützern, die nachts Plakate überkleben, möchte Will aber nicht in einem Atemzug genannt werden. Diese fordern tierfreie Zirkusse, denn "artgerecht ist nur die Freiheit!"

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