Immobilienmarkt:Schaffe, schaffe, Wohnung baue

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Mehr als zwei Stunden lang diskutierten Florian Pöhlmann (links) und Christl Mitterer (rechts) von der Vaterstettener CSU mit Stefan Huber (CSU, Zweiter von links) von der Kreisklinik, Brigitte Keller (CSU, von links) von der WBE, Architekt Jörg Heiler, Baustaatssekretär Josef Zellmeier (CSU) und Makler Heinrich Eichler. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Wo können wir noch bezahlbar wohnen?", fragt die Vaterstettener CSU beim Talk im Wirtshaus. Die Antwort der Podiumsdiskussion: Da, wo wieder Wohnungen in kommunaler Hand gebaut werden

Von Viktoria Spinrad, Vaterstetten

Es war einmal ein Anästhesist aus Essen, der mit einer Oberarztstelle in der Ebersberger Kreisklinik liebäugelte. Skiberge, Natur, tolle Klinik, alles passte, der Geschäftsführer freute sich schon. Doch dann sagte der Essener ab. Der Grund: Er stellte fest, dass er im Landkreis mit seiner Familie in eine Wohnung ziehen müsste - "und für den Erlös seines Essener Einfamilienhauses im Landkreis vielleicht eine Doppelgarage drin wäre".

An dieser Stelle bebten die etwa 50 Gäste im Purfinger Haberer vor Lachen über die Geschichte des Geschäftsführers der Kreisklinik, die sogleich auf die Frage des Abends überleitete: "Wo können wir noch bezahlbar wohnen?", hatte die Vaterstettener CSU beim Talk im Wirtshaus gefragt. Viel Zündstoff für eine kontroverse Diskussion, bei der Bayerns Baustaatssekretär Josef Zellmeier (CSU) viele Fragen zu beantworten hatte. Flankiert wurde er von Stefan Huber, Geschäftsführer der Kreisklinik und CSU-Gemeinderat, Jörg Heiler von der Bayerischen Architektenkammer, Brigitte Keller (CSU), kaufmännischer Vorstand der Ebersberger Wohnbaugesellschaft (WBE), und Heinrich Eichler von der gleichnamigen Immobilien-Hausverwaltung, die seit zwei Wochen auch im Landkreis vertreten ist. Eichler bescheinigte diesem als Auftakt, was alle wissen: "Der Markt ist ausgereizt." Einer der Gründe: "Wir haben nicht den sozialen Wohnungsbau, den wir gerne hätten."

Eine Steilvorlage für Staatssekretär Zellmeier, die neu zu gründende staatliche Wohnungsbaugesellschaft Bayernheim zu loben, mit der in sieben Jahren 10 000 Wohnungen entstehen sollen. "Aber wir können keine Wunder schaffen." Eine Steilvorlage wiederum für Brigitte Keller, das Konzept der neuen Ebersberger Wohnbaugesellschaft zu präsentieren. Dieses lässt günstige Wohnungen auf kommunalem Grund bauen; die Kommunen wiederum dürfen entscheiden, wer einzieht. 21 Wohnungen sind in Grafing bereits eingeweiht. Doch wie lässt sich so etwas geschickt umsetzen?

Hier war der Architekt in der Runde gefragt, der sich zu dem prägnanten Satz hinreißen ließ: "Größe ist nicht alles." Vielmehr brauche es kompakte, flexibel gestaltbare Grundrisse mit geschickten Übergängen zwischen privatem und öffentlichem Bereich, um gute Nachbarschaften auf engem Raum zu begünstigen. Auch kritisierte er die zirka 2500 DIN-Normen in der bayerischen Bauordnung, die den Wohnungsbau erschwerten. "Da gibt es noch Potenzial zur Vereinfachung."

Warum ist Wohnen so teuer? Eichler pochte auf den Tisch. "Warum hat man die Gemeinnützigkeit der kommunalen Wohnbaugesellschaften überhaupt abgestellt?", fragte er an Zellmeier gewandt. Dessen Mutmaßung zum europäischen Wettbewerbsrecht ließ er nicht gelten: "Da waren wir noch gar nicht europäisiert." Vielmehr habe es bei der Abschaffung geheißen: Der Wohnungsmarkt sei nun "ausgeglichen". Jetzt ist er vor allem eines: kaum noch bezahlbar. Die Spirale der Preishochtreiberei, für Makler Eichler beginnt sie, wenn Grundstücke an den höchstbietenden Investor wandern, und bei den vielen Bauvorschriften dreht sie sich weiter: "Erst Wärmedämmungen, dann Entkalkungsanlagen und Legionellenbekämpfung - alles stinketeuer."

Probleme gibt es aber auch da, wo neue Projekte erst noch entstehen sollen: Wenn sich die Anwohner widersetzen. Wie schafft man Akzeptanz in der Bevölkerung? Architekt Heiler hatte hier eine klare Antwort: "Indem man einen Gesamtentwicklungsplan aufstellt, die Bevölkerung mit Workshops am Projekt beteiligt - und sie auch ernst nimmt", plädierte er. Was wie ein Weckruf nach Zorneding klang, wo Anwohner zurzeit mit einem Bürgerbegehren gegen ein Neubaugebiet mit 500 Bewohnern drohen - und eben über mangelnde Beteiligung klagen.

Und wo können wir denn nun noch bezahlbar wohnen? In Wien, scheint es. Wie Keller zur Frage des Abends ausführte, sei es der Stadt gelungen, genügend Wohnungen in Eigenbesitz zu schaffen und zu halten. "Das ist für uns alle Vorbild." Doch dafür braucht es Geld, und das kommt zumeist von der Gewerbesteuer - ein Teufelskreis, denn mit mehr Gewerbe braucht es schließlich wieder mehr Infrastruktur: "Was können wir machen, damit wir keinen Kollaps kriegen?", fragte die Markt Schwabener Gemeinderätin Elfriede Gindert (CSU).

Indem man sich mehr auf die Einkommenssteuer fokussiert? Dann ziehen wieder nur die Gutverdiener her. Oder indem man die Gewerbesteuer abschafft oder den Kommunen mehr davon wegnimmt? Baustaatssekretär Zellmeier schlussfolgerte auf seine eigenen Gedankenspiele: "Die Abhängigkeit von der Gewerbesteuer zu ändern ist sehr, sehr schwierig."

Es scheint bei dem Bauthema so zu sein, als würde fast jede Drehung an der Stellschraube ein anderes Problem verursachen. Also vielleicht ein anderer Ansatz: Wenn sich die Spirale aus knappem Angebot und hoher Nachfrage so weiterdreht, warum zahlt man den Menschen nicht das entsprechende Gehalt, damit sie sich den Wohnraum zumindest leisten können? Aber auch dieser Vorschlag eines Mannes aus dem Publikum wurde ausgebremst: "Wenn wir die Personalkosten erhöhen würden, würden wir noch mehr Verluste machen - rund zehn, 15 Millionen im Jahr", sagte Huber von der Kreisklinik. Gefragt sei etwas anderes: "Wir brauchen neue, innovative Ideen." Eben wie die WBE, die zwar kaum Einfluss auf die Durchschnittsmieten haben dürfte, aber immerhin mehr günstigen Wohnraum schafft.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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