Im Ort:Abgeseilt

25 Schüler des Markt Schwabener Gymnasiums verlassen zum Sportunterricht das Schulgelände und gehen zum Klettern. Auf der Anlage des Alpenvereins bekommen sie Lektionen fürs Leben: Es geht um Konzentration, Durchhaltevermögen und Vertrauen

Von Christoph Jänsch, Markt Schwaben

Tritt für Tritt, Griff für Griff schraubt sich das Mädchen in die Höhe. Bis oben sind es nur noch wenige Meter. Ans Aufgeben ist jetzt nicht zu denken. Nicht einmal bei der schwierigen Route mit Überhang. Dann gerät sie ins Stocken, sie kommt nicht mehr weiter. Ein Blick nach unten. Dort steht Bernhard Hobmaier am Fuß der Kletterwand und hält die Zügel in der Hand. Nicht nur die symbolischen, sondern auch die zur Sicherung. Er trägt Jeans und Daunenjacke, dazu Trailrunning-Schuhe, kaum zu übersehen, dass er Sportlehrer ist. Konzentriert schaut er nach oben und gibt der Sechstklässlerin Tipps: "Setz den Fuß in die Mitte auf den Vorsprung, dann kommst du hoch und kannst mit der rechten Hand den nächsten Griff fassen." Mit ihrer Willenskraft und seinem erfahrenen Auge, schafft es das Mädchen die 15 Meter hohe Kletterwand zu bezwingen.

Dass die Kletterstunden auf der Kletteranlage der Markt Schwabener Alpenvereins-Sektion Teil des Schulunterrichts sind, ist bei all der Harmonie kaum zu glauben. Hobmaier ist Deutsch- und Sportlehrer und zudem begeisterter Kletterer. Vor 20 Jahren hat er den Wahlunterricht Klettern am Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium eingeführt. Seitdem betreut er jedes Schuljahr 25 Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen. Geklettert wird an diesem milden Januartag nicht in der Halle sondern im Freien am Kletterturm.

Von der fünften Klasse bis zur Oberstufe sind alle Altersklassen vertreten. Klettergurte und Seile stellt die Schule. Einige der Schüler sind darüber hinaus selbst ausgerüstet. Sie tragen Kletterschuhe und haben einen Chalkbag hinten an der Hose, damit sie sich beim Klettern zwischendurch die Hände mit Magnesia einreiben können. Das sorgt für besseren Halt.

Wenn man in die Gesichter der Schüler schaut, erübrigt sich die Frage eigentlich, warum sie sich für diese Sportart nach dem Unterricht entschieden haben. Mit strahlendem Sonnenschein im Rücken an der Wand hängen und kühle, klare Luft einatmen. Es gibt aber noch weitere Vorzüge, wie die Kraxler erklären. "Man entwickelt sich zügig weiter. Diese Entwicklung zu sehen, spornt an und macht Spaß", erzählt Schülerin Lena Bickhardt. Ihr Schulkamerad David Liebmann ergänzt: "Es ist jedes Mal ein kleines Erfolgserlebnis, wenn man es wieder nach oben geschafft hat."

Lehrer Hobmaier erkennt neben der körperlichen Betätigung noch andere positive Effekte: "Ohne Selbstvertrauen, Mut, Konzentration und Durchhaltevermögen wird es schwierig am Fels." Die Schüler lernen somit auch viel über sich selbst. Die Disziplin und die Reife merkt man ihnen an. Sie wirken ausgeglichen. Der Lehrer lacht: "Das ist am Anfang nicht so." Wenn die Schüler im September beginnen, seien sie lange nicht so beherrscht. Das entwickle sich erst im Laufe der Zeit.

Entscheidend ist nicht nur das Klettern, sondern auch, den Partner an der Wand zu sichern. Das ist elementarer Teil des Sports, weil es hier um Leben und Tod gehen kann. Wer sich von jemandem sichern lässt, lernt viel über Vertrauen. Das stärkt den Teamgeist, unabhängig vom Alter. Denn hier lernen Schüler der verschiedensten Altersklassen miteinander und voneinander. Viel geredet wird nicht, wenn dann sind es Anfeuerungen oder gut gemeinte Tipps für den Partner an der Wand.

David Liebmann klettert bereits seit er sechs ist, inzwischen sogar im Verein. Doch den Klettersteig in den Bergen zieht er den künstlich angelegten Routen der Kletterwand vor. "Für mich ist das Klettern besonders, wenn ich mit Freunden in den Bergen bin", sagt er. Das ist auch die Entwicklung, die Hobmaier sich für seine Schüler wünscht: "Sinn und Zweck ist das Weitermachen."

Der Sportlehrer coacht einfühlsam und abgeklärt. Seine Schüler sind selbständig, dennoch kontrolliert er manchmal nach. Nur einmal zeigt Hobmaier einem Schüler, der zu spät gekommen ist und vor lauter Einklang scheinbar vergessen hat, dass hier Unterricht stattfindet. "Avanti, avanti!", ermahnt der Lehrer ihn zur Eile, damit er sich ein bisserl schneller umzieht.

In der Auswahl und dem Angebot der Wahlfächer und Arbeitsgemeinschaften sind die Schulen weitgehend frei. Bei den Sportarten gibt es kaum Restriktionen vom Schulamt oder vom Kultusministerium - sofern der betreuende Lehrer die nötige Qualifikation besitzt. Das Wahlfach Klettern ist am Markt Schwabener Franz-Marc-Gymnasium auch für die Zukunft gesichert. Auf Hobmaier könnten gleich zwei weitere Lehrkräfte nachfolgen, beide bringen die erforderliche Qualifikation mit.

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