Humor und Gespür fürs Publikum:Der Kommissar geht um

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Tatort-Ermittler Miroslav Nemec ist beim Vaterstettener Trogir-Verein zu Gast. Um die Giesinger Unterwelt geht es bei seinem kurzweiligen Auftritt aber nur ganz am Rande

Von Rita Baedeker

Miroslav Nemec veranstaltet keine Lesung, er inszeniert seinen Text mit Humor und Leidenschaft. (Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Um den "Tatort" ging es ausnahmsweise nicht bei der vergnüglichen Lesung, die der Schauspieler und Musiker Miroslav Nemec dem Vaterstettener Publikum anlässlich der Fünfjahresfeier der Partnerschaft mit der dalmatinischen Stadt Trogir beschert hat. Nur bei der Zugabe, dem "Tatort-Song", den Nemec einmal zusammen mit seinem Krimi-Kollegen Wachtveitl gedichtet hat, rückte der Blockbuster kurz in den Mittelpunkt.

Wie es vor nunmehr 25 Jahren zu dem Angebot kam, als Kommissar Ivo Batic in der Giesinger Unterwelt zu ermitteln, kann man in der 2012 erschienenen Autobiografie "Miroslav Jugoslav" erfahren, aus der Nemec vergangenen Samstag im Pfarrsaal gelesen hat. Wobei "Lesen" die Sache nur halbwegs trifft. Nemec liest nicht vor, er inszeniert und spielt seinen Text. Mal schaut er ins Buch, dann wieder erzählt er eine Episode so, als sei sie ihm gerade erst eingefallen. Dieser dramaturgische Kniff, vom Thema abzuschweifen, wirkt erfrischend und gibt dem Künstler Gelegenheit, seine mimische Begabung ebenso auszuleben wie sein musikalisches Talent und seine Freude am Flirt mit dem Publikum. Nicht zufällig hat er für das Motto seines Buchs ein Zitat von Ödön von Horváth, einem seiner Lieblingsdichter, gewählt: "Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu."

Wie er ist, wenn er ganz anders ist, Witze erzählt, Texte von Rio Reiser und Erich Kästner vertont, Gitarre spielt, Ernst Jandl rezitiert, ein Lied für seine kleine Tochter Nina singt, konnten die fast 200 Besucher an diesem Abend live erleben. Nemec, der am Salzburger Mozarteum Klavier studiert und in Zürich die Schauspielschule besucht hat, besitzt eine sonore, angenehm angeraute Stimme. Hinzu kommen bei ihm ein ausgeprägtes Gespür für Nähe zum Publikum, für Selbstironie und das gekonnte Spiel auf der Tonleiter der Emotionen. Zwar hat er in Vaterstetten die traurigeren Kapitel seiner Biografie überblättert; dennoch lassen die ausgewählten Textstellen erkennen, dass es darin um viel mehr geht als um die Erfolgsstory eines bekannten Schauspielers und die Erinnerungen eines kroatischen Lausbuben.

Kindheit und Jugend waren für den 1954 geborenen Miroslav Nemec Jahre der Heimatlosigkeit. Zwischen zwei Elternpaaren, den leiblichen und den Pflege-Eltern, zwischen Armut und Wirtschaftswunder, Ost und West hin- und her gerissen, war er ein Wanderer zwischen den (noch) feindlichen Blöcken. Eine besondere Beziehung, erzählt er, habe er noch heute zum Salzburger Bahnhof, wo der Balkan-Express hielt, "weil er mit weggehen müssen und Ankommen zu tun hat". Kindheit, Schule, erste Bühnenjahre, Rollen, Liebe, Krieg - all das packt er in mit galligem Humor geschriebene Szenen, zum Beispiel wenn er vom Arbeitsplatz seines (leiblichen) Vaters als Revisor bei einer Bank erzählt. Dieser sei dort der einzige Mann unter zwanzig Genossinnen gewesen, die den lieben langen Tag geraucht und Kaffee getrunken hätten. Oder von seiner Oma, die in Punat ein Postamt betrieben habe. "Man sagt, sie konnte mit dem Hintern morsen und telegrafieren." Auch die Erlebnisse der Schulzeit, die kurze Phase der Staatenlosigkeit, verbunden mit Schikanen auf beiden Seiten, mit feindseligem Spott, aber auch mit Zuneigung und Förderung sind Teile dieses Puzzles aus Biografie und Zeitgeschichte.

Als Spross einer Familie mit habsburgischen Wurzeln kann Miroslav Nemec reden, als komme er direkt aus der Loge des Wiener Burgtheaters. Als Schulkind aus Traunstein beherrscht er Bairisch und als Absolvent der Zürcher Schauspielschule ist ihm auch Schwyzerdütsch nicht fremd. Kroatisch spricht er mit Nina. Und an all dem, was er ist und kann, lässt Nemec sein Publikum verschwenderisch teilhaben.

Wovon insbesondere auch die Aktiven des Partnerschaftsvereins, Michael Baier, Slavica Tavra und Branka Schröder, angetan sind. Branka nennt Nemec einen "lässigen Kommissar mit einem Herz für Randfiguren und einen idealen Europäer". Wer seine Geschichte kennt, weiß, dass dieser Satz stimmt.

© SZ vom 24.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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