Haar:Kulturfuzzi mit Gespür für Geld

Haar: Neuer Hausherr: Als Fachbereichsleiter Kultur des Sozialpsychiatrischen Zentrums ist Matthias Riedel auch Chef des Kleinen Theaters Haar.

Neuer Hausherr: Als Fachbereichsleiter Kultur des Sozialpsychiatrischen Zentrums ist Matthias Riedel auch Chef des Kleinen Theaters Haar.

(Foto: Claus Schunk)

Matthias Riedel hat Trompete studiert und war Orchestermusiker. Als neuer Fachbereichsleiter am Sozialpsychiatrischen Zentrum des Bezirks will er das Kleine Theater in Haar konsolidieren

Von Udo Watter, Haar

Die aufwühlende Energie, die sich in Beethovens Sinfonien Bahn bricht. Die radikale, dichte Polyfonie, die sich im spätromantischen Werk Gustav Mahlers entfaltet: Matthias Riedel genießt solche musikalischen Gänsehautmomente - umso mehr als der gebürtige Kieler nicht nur ein geneigter Zuhörer ist, sondern vielmehr auf fundierte aktive Erfahrungen zurückgreifen kann. Riedel hat Musik mit Hauptfach Trompete studiert und in Orchestern wie den Hamburger Philharmonikern gespielt. "Ich kenne auch den Orchestergraben" sagt der 44-Jährige. Und, nicht ohne Selbstironie: "Ich bin ein Kulturfuzzi." Die Betonung dieser Tatsache dürfte ihm insofern wichtig sein, als er nicht als bürokratischer Zahlenmensch erscheinen will, der jeden Cent dreimal umdreht, bevor er ihn für Konzerte, Kabarett oder Theater ausgibt. Denn als neuer Fachbereichsleiter Kultur am Sozialpsychiatrischen Zentrum des Bezirks Oberbayern (SPZ) ist Riedel auch der neue Leiter des Kleinen Theaters Haar und der finanzielle Spielraum dort stellt sich bekanntlich suboptimal dar.

Unter Riedels Vorgängerin Nirit Sommerfeld, die als Intendantin den Schwerpunkt auf den künstlerischen Bereich legte, fuhr das Theater hohe Defizite ein. "Klar, Kultur kostet Geld, und wir müssen hier keine Gewinne erwirtschaften", erklärt Riedel, "aber wir müssen lernen, mit dem Geld auszukommen." Der Bezirk bezuschusst das Theater mit 120 000 Euro, die Gemeinde Haar mit 60 000 Euro. Diese Förderung läuft Ende 2016 aus und bis dahin, sagt Riedel, "müssen wir unsere Existenzberechtigung nachweisen."

Riedels Aufgabe umfasst mehr als nur das Kleine Theater Haar: Er soll über die vom Sozialpsychiatrischen Zentrum geförderten kulturellen Säulen quasi ein Dach bauen und Kräfte bündeln, speziell auch in der Öffentlichkeitsarbeit. Dazu gehört neben dem "Kunst-Kultur-Freizeitprogramm" des SPZ unter anderem das Projekt "Seelen-Art", das die kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe psychisch kranker Menschen zum Ziel hat: Neben der Kabarett-Reihe gleichen Namens in Haar schließt es etwa auch den Betrieb einer Seelen-Art-Galerie in München-Lehel ein.

"Es gibt zwei Dinge, die mich bewegen", sagt Riedel, "Kultur und Inklusion." Inwieweit Matthias Riedel, der in diesem Jahr auch als Projektleiter für das vom Bezirk geförderte Zamma-Kulturfestival Oberbayern in Freising verantwortlich zeichnete und davor Leiter einer privaten Musikschule war, in der kommenden Spielzeit seine kulturell-konzeptuellen Vorstellungen bereits umsetzen kann, muss man sehen.

Riedel sieht seine primäre Aufgabe darin, zunächst bessere Strukturen im Haus zu schaffen und die finanzielle Lage zu konsolidieren. "Wir sind im Umbruch", sagt er. Das bedeutet auch, dass das Kulturprogramm im Moment weiter etwas reduziert daherkommt. Der von Sommerfeld initiierte Kulturbrunch, der eine Zeitlang jeden Sonntag stattfand, wurde als Angebot ganz aufgegeben, ihn wird es auch in abgespeckter Form nicht mehr geben. "Es hat sich nicht getragen", erklärt Riedel.

Auch die Aufführungen des Jungen Schauspiel Ensembles München (JSEM), das etliche Jahre lang das Kleine Theater Haar als Stammhaus bespielte - jetzt aber in großen finanziellen Schwierigkeiten steckt und dem die Insolvenz droht - sind nicht mehr eingeplant. Riedel hat sich in jüngerer Zeit mit Michael Stacheder, dem Gründer des JSEM, getroffen, sieht die Lage aber wenig optimistisch. Gleichwohl: "Wenn Herr Stacheder die Beine wieder hoch kriegt, dann steht die Tür offen."

Für die Herbstsaison versucht Riedel noch, die dadurch entstandenen Lücken im Spielplan eventuell mit dem Engagement anderer Theater-Ensembles zu füllen. Primär für die künstlerische Leitung verantwortlich ist künftig Miriam Gniwotta, die für die ehemalige kommissarische Leiterin, Ilona Tautu, übernommen hat. Diese ist jetzt im Mutterschutz.

Über kurz oder lang soll das Veranstaltungsprogramm wieder dichter und vielseitiger sein, und die inklusive Kultur stärker gefördert werden - ein entsprechendes Theater-Projekt startet im September. Wie viele, die das Kleine Theater Haar ein bisschen näher erkunden, ist auch Riedel von der Schönheit des Jugendstil-Kleinods angetan und hofft, dass sich das Haus peu a peu stärker am Ort etabliert. Das ist natürlich auch die Intention der Gemeinde, mit der die Zusammenarbeit gut funktioniere, wie Riedel erklärt. Dass in der unmittelbaren Nachbarschaft in den kommenden Jahren mit dem Jugendstilpark ein ganzes Wohnquartier entstehe, ist ein Grund für Zuversicht. Salopp gesagt, muss Riedel das Haus warm halten, bis etliche Tausend Neubürger ganz in der Nähe wohnen und dem Haus ein ganz andere Aufmerksamkeit zukommt.

Spielzeiteröffnung für die kommende Saison im Kleinen Theater ist jetzt erst mal am Samstag, 19. September: ein Tanzabend mit Musik der Vierziger-, Fünfziger- und Sechzigerjahre inklusive Büffet steht auf dem Programm. Und irgendwann gibt es vielleicht auch wieder einen Abend mit aufwühlender klassischer Musik. Der frühere Profi-Trompeter Riedel würde sich freuen.

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