Grafing:Wiener Gitarrenpoet

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Karl Ratzer mit seiner blauen Gitarre. Ihm zur Seite spielen T. Howard Curtis III und Peter Herbert. (Foto: privat)

Jazzfreunde freuen sich auf Begegnung mit Karl Ratzer

Von Claus Regnault, Grafing

Jazzliebhabern steht eine ganz besondere Begegnung bevor: Das Konzert des Gitarrentrios Karl Ratzer am Samstag, 17. September, bei Jazz im Turm in Grafing. Das Besondere liegt nicht darin, dass Ratzer, begleitet von fabelhaften Mitstreitern an Bass und Schlagzeug, Jazzgitarre spielt, sondern darin, wie er sie spielt und wie er dazu singt. Man muss schon bis zu jenem sagenhaften Golowin (alias Friedrich Gulda) zurückgehen und vielleicht sogar bis zu jenem Volkssänger Ferdinand Raimund, um das Wienerische, ja Vorstadtwienerische seiner Musik zu begreifen, jene eigenartige Mischung aus Weltschmerz und Zärtlichkeit, die dem Wiener Gsangl eigen ist. Bei Ratzer nun findet jene Durchdringung des Jazz mit dem Wienerischen berührend statt. Dieser inzwischen kolossale Mensch mit barer Stirn singt und spielt die längst Jazzrepertoire gewordenen Evergreens in der englischen Originalsprache mit einer Stimme, die überraschend zart, fast kindlich anmutet und über die er anschließend mit einem Gitarrenspiel improvisiert, welches wie eine Fortsetzung des Gesangs in Sound und Sprache seines Instruments erscheint, fern der aufgeregt vieltönigen Improvisationsweise des modernen Stils. Ratzer repräsentiert eine Mischung aus Virtuosität, die niemals Selbstzweck wird, und tief empfundener Emotion. Dabei kommen sowohl Bewunderer instrumentaler Technik als auch Liebhaber swingender Songs auf ihre Rechnung.

Karl Ratzer stammt aus einer Roma-Familie. Als 14-Jähriger spielte er in einer Underground-Band; einmal hörten Mick Jagger und Keith Richards zu, worauf der Manager der Rolling Stones die jungen Musiker unter Vertrag nahm. Heute, als 65-Jähriger, schaut Ratzer auf eine wechselvolle Laufbahn zurück. Vor fast einem Jahr, beim ersten Internationalen Jazz-Festival in Ebersberg, hatte er seinen ersten Auftritt im Alten Kino. Lautstark brachten seine Fans und Freunde damals ihre Zuneigung zum Ausdruck.

Dieses Mal also wird das Karl-Ratzer-Trio den Jazz in Wiener Gesang verwandeln. Als Dokument dieser Verwandlung wird an dem Abend die neue CD "My Time" mit Ratzer und seinem Trio aus der Taufe gehoben. Zur Formation steuert Peter Herbert seine Vielseitigkeit, die von klassischen Streichensembles bis zur Experimentalmusik reicht, bei. T. Howard Curtis III, geboren in Virginia, USA, hat eine Karriere als Jazz-Schlagzeuger hinter sich. Seit mehr als 25 Jahren ist er als Lehrer tätig, derzeit als Leiter der Abteilung Jazz-Schlagzeug an der Kunstuniversität Graz. Er musiziert mit klassischen Orchestern und am Broadway.

Beginn des Konzerts von Jazz im Turm Grafing am Samstag, 17. September, ist um 20 Uhr, Einlass um 19 Uhr. Karten gibt es im Vorverkauf online bei www.ticket-regional.de

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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