Grafing:Landtagsabgeordnete wissen mehr

Lesezeit: 2 min

Sie kommen schneller an Informationen über Fördermittel als die Antragsteller. In Grafing und Hohenlinden wundern sich deswegen gerade die Bürgermeister.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Bürgermeister erhalten bestimmte Informationen oft später als Landtagsabgeordnete. Bekommt eine Gemeinde die Zusage aus dem Städtebauförderprogramm für einen Zuschuss, dann erfahren es die Rathauschefs im Landkreis Ebersberg oft erst aus der Zeitung. Grund ist, dass Bundes- und Landtagsabgeordnete vom bayerischen Innenministerium vorab über die Förderbescheide informiert werden - und sie die Neuigkeiten als erstes verkünden können. In diesem Jahr war dies etwa in Grafing und Hohenlinden der Fall.

"Hohenlinden und Grafing erhalten zusammen 1,26 Millionen Euro aus dem diesjährigen Bund-Länder-Städtebauförderungsprogramm Soziale Stadt", teilten die Wahlkreisabgeordneten im Bundestag und Landtag, Andreas Lenz und Thomas Huber (beide CSU) bereits Anfang Juni per gemeinsamer Pressemitteilung mit. Die gute Nachricht hätten sie auf Nachfrage von Innenminister Joachim Herrmann erhalten, hieß es. 600 000 Euro bekäme Hohenlinden für die Sanierung der Ortsdurchfahrt, 660 000 Euro würden unter anderem für die Stadtplatzsanierung nach Grafing gehen, so die Mitteilung.

Die Information werde wahrscheinlich stimmen, sagte Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) damals, nachdem sie die Mitteilung von Lenz und Huber gelesen hatte. Offiziell bestätigen könne sie das aber nicht. "Bei uns ist dazu noch nichts angekommen", sagte Obermayr damals. Aus Hohenlindens Rathaus war zu hören: "Die haben es vor uns gewusst, da waren wir auch etwas überrascht." Landtagsabgeordnete haben in der Hinsicht also einen Informationsvorsprung.

Dem Innenministerium zufolge läuft die Beantragung der Fördermittel über die Rathäuser der Gemeinden. Die Abgeordneten seien nicht eingebunden, erklärte eine Sprecherin. Wie funktioniert also der exklusive Informationsfluss vom Ministerium an die - in diesem Fall - CSU-Abgeordneten? Nach der Entscheidung der Mittelvergabe würde das Ministerium die Bewilligungen an die jeweiligen Bezirksregierungen versenden, heißt es vom Ministerium.

Betroffen sind in diesem Jahr die Stadt Grafing und die Gemeinde Hohenlinden

Diese wiederum verschickten die Bescheide weiter an die jeweiligen Gemeinden. "Dies ergeht in Papierform und per Post. Das kann ein paar Tage dauern." Wenn jedoch Abgeordnete anfragten, würden sie nach der endgültigen Entscheidung über die Mittelverteilung unmittelbar informiert. "Da es sich um vom Bundestags- beziehungsweise Landtagsabgeordneten beschlossene Haushaltsmittel handelt."

So kommt es, dass Huber und Lenz am 7. Juni von den Förderungen erfahren haben wollen und noch am gleichen Tag die 1,26-Millionen-Nachricht senden konnten. "Natürlich überbringen wir als Abgeordnete immer gerne gute Nachrichten", sagt Huber. Im Grafinger Rathaus, erklärte Bürgermeisterin Obermayr, sei die offizielle Nachricht von der Regierung von Oberbayern erst am 19. Juni eingegangen. Datiert gewesen sei das Schreiben auf den 13. Juni.

Lenz und Huber sehen sich an der Vergabe allerdings nicht unbeteiligt. "Die Antragstellung durch die Kommunen gewährleistet noch nicht die Gewährung - deshalb fragen wir hier beim Ministerium auch regelmäßig nach", so Huber. Sollte diese Kausalität zutreffen, wäre die Angelegenheit mindestens bemerkenswert: Dann wäre bei der Vergabe nicht mehr nur die Übereinstimmung eines Projekts mit den Förderrichtlinien maßgeblich. Abgeordnete könnten die Entscheidung zugunsten ihres Wahlkreises beeinflussen.

In jedem Fall treffender wäre die 1,26-Millionen-Euro-Nachricht aus der Lenz-Huber-Pressemitteilung mit dem Zusatz "bis zu" gewesen. In der Regel rufen Gemeinden die kompletten Summen gar nicht ab. Manchmal können sie es gar überhaupt nicht. Die vermeintlich geförderten Grafinger Jugendräume sind zum Beispiel längst passé. Die Stadt wird die angekündigten 660 000 Euro also ganz sicher nicht in vollem Umfang erhalten.

© SZ vom 19.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: