Grafing:Über den Tod hinaus

Grafing: Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider spricht in der Grafinger Auferstehungskirche über Vertrauen.

Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider spricht in der Grafinger Auferstehungskirche über Vertrauen.

(Foto: Christian Endt)

Nikolaus Schneider, ehemals Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche, erklärt die Vielfalt von Vertrauen

Von Karin Kampwerth, Grafing

Der Tod des eigenen Kindes, die Diagnose einer schweren Krankheit, Sterbehilfe. In Gottes Namen, seichte Unterhaltung war es nicht, auf die sich die Gäste in der Auferstehungskirche in Grafing am Samstagabend eingelassen haben. Auf Einladung des evangelischen Bildungswerkes war der promovierte Theologe Nikolaus Schneider nach Grafing gekommen, um aus seinem Buch "Vertrauen. Was in unsicheren Zeiten wirklich trägt" zu lesen. Eigentlich wurde auch Schneiders Ehefrau und Co-Autorin Anne Schneider erwartet. Diese, so Pfarrer Axel Kajnath, habe absagen müssen, aber glücklicherweise nicht aus gesundheitlichen Gründen - Anne Schneider ist 2014 an Brustkrebs erkrankt. Der Anlass sei ein freudiger: Eine der Töchter der Schneiders erwartet in diesen Tagen das fünfte Enkelkind des Paares.

Schneider, der von 2010 bis zur Erkrankung seiner Frau 2014 als Nachfolger Margot Käßmanns Ratsvorsitzender der evangelischen Kirche Deutschlands war, wurde nicht nur als oberster Protestant des Landes, sondern auch als streitbarer politischer Geist in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Am Samstag in Grafing zeigte sich der 69-Jährige eher von seiner pastoralen Seite. Was nicht zuletzt an seinem persönlichen Schicksal lag, über das er zwar offen sprach, allerdings ohne dieses mit Details auszuschmücken. Wohl auch deshalb, weil er und seine Frau auch bald zwölf Jahre nach dem Tod ihrer jüngsten Tochter Meike die Narben verspüren, die ihr Glaube davon getragen hat. "Es bleibt bis heute rätselhaft und erschreckend fremd", sagte Schneider darüber, dass Gott seine Gebete und die seiner Frau nicht erhört und einen Lebensweg mit nur 22 Jahren so abrupt abgebrochen habe. "Dabei wollte Meike steinalt werden."

Die Trauer über den Tod der Tochter, sie hatte Leukämie, haben die Schneiders in einem Buch verarbeitet, das sie im Namen Meikes schrieben. "Ich will mein Leben tanzen. Tagebuch einer Theologiestudentin" lautet der Titel, aus dem Schneider ebenfalls Passagen vortrug, die den Lebensmut der jungen Frau dokumentieren, aber auch ihre Haltung, sich ihrem Schicksal gottesfürchtig zu ergeben.

Gottvertrauen muss Schneiders Ansicht nach auch über den Tod hinaus reichen, das ist eine der Botschaften, die der Berliner Theologe den etwas mehr als 50 Besuchern mit auf den Weg gibt. Er zum Beispiel wolle mit dem Herrn von Angesicht zu Angesicht noch einmal darüber sprechen, was seiner Tochter zugestoßen ist. Dieses Schicksal sei allerdings auch beispielhaft dafür, dass Gottvertrauen keine Lebensversicherung, sondern ein volatiles Gut ist, mal mehr, mal weniger vorhanden. Gott könne die Gläubigen nicht vor schrecklichen Ereignissen bewahren, sie wohl aber dabei tragen. Diese Hand Gottes hätten die Schneiders auch am Sterbebett ihrer Tochter verspürt. Und nicht zuletzt seien sie dankbar für die Zeit davor. Denn gerade wegen der Erkrankung hätte das Paar mit seiner Tochter eine Zeit größter Nähe und Zuneigung erlebt, die es sonst vielleicht so nicht gegeben hätte.

Der Umgang mit dem Tod ist bei dem Theologenpaar aber auch durch die Erkrankung von Anne Schneider ein Thema. Während sie sich klar für Sterbehilfe, wie sie in der Schweiz praktiziert wird, ausspricht, ist für ihn Sterbehilfe alleine schon die Begleitung eines Menschen auf seinem letzten Weg. Ein Aspekt, der vom Grafinger Publikum kontrovers diskutiert wurde. So sagte eine Besucherin, dass einem das Leben geschenkt werde. Deshalb müsse es erlaubt sein, dieses Geschenk auch zurückzugeben. Eine klare Antwort darauf hatte Schneider nicht. Wohl aber auf eine andere Frage, was denn "in Würde sterben" heiße. "Ohne Schmerzen und nicht allein", sagte Schneider.

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