Grafing:Traumhaftes Programm, brillant interpretiert

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Souveräne Meister ihres Fachs: die beiden Geiger Tae Koseki und Max Meis beim Rathauskonzert in Grafing. (Foto: Christian Endt)

Max Meis & Freunde gestalten das Grafinger Rathauskonzert mit selten gehörten Meisterwerken

Von Peter Kees, Grafing

Der Grafinger Max Peter Meis, stellvertretender Vorsitzender des Kulturvereins, ist Stimmführer der zweiten Geigen beim Münchner Kammerorchester. Das Rathauskonzert am vergangenen Sonntag gestaltete er mit Freunden und Kollegen: mit der Geigerin Tae Koseki, den beiden Bratschisten Romuald Kozik und Jano Lisboa, letzterer inzwischen Solobratscher bei den Münchner Philharmonikern, und der Solocellistin des Münchner Kammerorchesters Bridget MacRae. In unterschiedlichen Besetzungen musizierten die fünf Instrumentalisten und boten dabei Kammermusik vom Allerfeinsten - nicht nur was die Werkauswahl betraf, auch ihre musikantischen Interpretationen waren schlicht brillant.

Zu Beginn des Konzertes war ein Geigenduett zu hören, Sergei Prokofjews viersätzige Sonata Op. 56 für zwei Violinen, 1932, noch vor Prokofjews Rückkehr nach Moskau komponiert. Die beiden Geiger Max Meis und Tae Koseki musizierten mit sattem, kräftigen Ton und entpuppten sich bereits da als wundervolle und souveräne Interpreten eines Meisterwerkes - das nur sehr selten in den Programmen der Konzertsäle zu finden ist. Singend beginnt die erste Violine im Pianissimo, ehe die zweite Violine mit der leeren G-Saite, in einer kleinen Sekunde zur ersten Geige versetzt einsetzt; Reibung entsteht. In diesem Duett mischt sich klassische Formsprache mit russischer Folklore, ein durchaus bekannter Prokofjew-Klang entsteht. Der erste Satz endet in beiden Violinen auf einem C, furios mit gebrochenen Akkorden beginnt der zweite Satz Allegro; diesmal Fortissimo, Sechzehntelläufe, punktierte Noten, Akzente - die Dialog zweier Instrumente kann kaum treffender sein. Folkloristisch und zart der dritte Satz, während das Allegro con brio des Schlusssatzes einen feurigen Tanz intoniert. Großartig gespielt, wahrlich von Meistern ihres Faches.

Ein Duett, ein Duo aus der Zeit der Wiener Klassik, in dem sich zwei der anderen Musiker vorstellten, schloss sich an: Beethovens "Duett mit zwei obligaten Augengläsern" für Viola und Violoncello. Jano Lisboa hat einen derart wunderbaren Bratschenklang, warm, weich und doch kräftig, alles andere als nasal, so dass das Hören dieses selten gespielten Werkes großes Vergnügen bereitete. Die Cellistin Bridget MacRae stand ihrem Bratschenpartner dabei in keiner Weise nach. Mag man sich bei Prokofjews Duett durchaus an Bartok erinnert fühlen, so ist in diesem Werk Mozart noch mithörbar, wenn auch weiterentwickelt. Wollte man Kritik üben, so hätte man den Interpreten vielleicht etwas mehr Ruhe, oder soll man sagen, Gelassenheit gewünscht, um Beethovens Humor noch etwas deutlicher werden zu lassen. Aber sei's drum, das ist Pfennigfuchserei.

Noch vor der Pause gab's dann noch etwas ganz Außergewöhnliches: Ein Streichtrio für Violine, Viola und Violoncello von dem aus Mähren stammendem tschechisch-jüdischen Komponisten Gideon Klein, 1944 in Theresienstadt komponiert. Gideon Klein wurde 1919 in Přerov geboren. Er hatte gerade sein Klavierstudium in Prag glänzend abgeschlossen und ein Kompositionsstudium bei Alois Hába begonnen, als mit der Annexion Böhmens und Mährens 1939 auch die tschechischen Universitäten geschlossen wurden. Der kaum 20-Jährige war gezwungen, sein Studium aufzugeben. Im Dezember 1941 wurde er, 22 Jahre alt, in das KZ Theresienstadt deportiert. Neun Tage nach Beendigung seines Streichtrios, im Oktober 1944, wurde er nach Auschwitz und von dort in das Außenlager Fürstengrube deportiert. Dort kam er, kurz vor der Befreiung, ums Leben. Sein Streichtrio ist kraftvoll und selbstbewusst. Gideon Klein greift in der Partitur auf mährische Volkslieder zurück, arbeitet mit höchstem rhythmischen Raffinement und nimmt sogar die "Patterns" heutiger Minimal-Music vorweg. Wahrlich großartige Musik!

Doch, das war alles noch nicht genug. Nach der Pause traten die beiden Geiger Max Meis und Tae Koseki sowie die Bratschisten Romuald Kozik und Jano Lisboa aufs Podium. Wiederum Duette. Und zwar sechs Stücke aus einem ganzen Buch an Duetten von Luciano Berio, die Bartoks Duos zum Vorbild haben. Animiert sind die einzelnen Sätze jeweils durch Begegnungen mit Komponisten, Musikwissenschaftler und Dirigenten. Mit deren Vornamen sind die einzelnen Stücke auch betitelt. Vorgetragen wurden "Bruno" für zwei Violinen, "Bela" für Geige und Bratsche, "Maurice" ebenfalls für Geige und Bratsche, "Igor" für zwei Bratschen, "Giorgo Frederico" und "Alfredo" für Geige und Bratsche. Auch hier erwiesen sich die Musiker als großartige, sehr feinsinnige und virtuose Interpreten. Schade nur, man hätte gern mehr davon gehört.

Doch, das war's noch nicht. Zum Ende des Konzertabends musizierten alle fünf schließlich gemeinsam Johannes Brahms Quintett für zwei Violinen, zwei Violen und Violoncello op. 111. Große Leidenschaft, fast Rausch tat sich da auf, Kraft gepaart mit Schmelz und Wehmut, intensive und farbenreiche Tongebung, pulsierende Rhythmik. Das war nun der fünfte Höhepunkt des Abends, grandios gespielt. Kurzum: ein wunderbares Programm mit wunderbaren Musikern!

© SZ vom 24.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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