Grafing:Sozialere Baulandverteilung

Grafinger Stadtrat überarbeitet Grundsatzbeschluss zur Wohnbaupolitik und erstellt neuen Katalog der Vergabekriterien

Von Thorsten Rienth

Einheimischenbauland darf es nicht mehr sein, weil diese Bevorzugung dem europäischen Recht auf Freizügigkeit widerspricht. Bauland für sozial Schwache will es der Stadtrat nicht nennen, gehe es doch um ökonomisch Schwächere. Bei der städtischen Wohnbaupolitik müssen sich die Grafinger deshalb an einen neuen Begriff gewöhnen: "Wohnraumversorgung für einkommensschwache oder sozial benachteiligte Personen der örtlichen Bevölkerung." In seiner jüngsten Sitzung hat der Stadtrat den neuen Grundsatzbeschluss zur Wohnbaupolitik gefasst. Auch der Kriterienkatalog, nach dem das verbilligte Bauland künftig vergeben werden soll, wurde gebilligt. Kinderreiche Familien und Leute, die ihre Angehörigen pflegen, werden von nun an besonders gefördert.

"Das ist eine echte Verbesserung", warb Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne). "Ich bin ein Fan dieses Grundsatzbeschlusses", bekannte CSU-Stadtrat Thomas Huber. Die beiden Sätze aus zwei durchaus entgegengesetzten politischen Lagern sind bezeichnend für die Beschlüsse, die das Gremium wenig später mit großen Mehrheiten fasste. Im Mittelpunkt stehen günstige Wohnungen, günstiges Wohnbauland und öffentlich geförderte Wohnungen. Damit bleibt die Zielsetzung der früheren Grafinger Grundsatzbeschlüsse zur Wohnbaupolitik weitgehend erhalten. Bei den Hausgrundstücken gibt es allerdings eine deutliche Neuerung: Sie ist gewissermaßen der Lerneffekt aus dem Baugebiet "Wolfsschlucht". Dort hatte es Grundstück und Haus nur aus einer Hand vom Bauträger gegeben - ein wesentlicher Grund, warum die Häuser dort so umstritten teuer wurden.

30, 65, 35, 40 sind die Eckzahlen des Grundsatzbeschlusses. Er regelt, unter welchen Bedingungen in Zukunft billige Wiese zu teurem Bauland werden darf. 30 Prozent der Fläche muss der Grundstückseigentümer dazu kostenlos an Erschließungsflächen abtreten. Vom Rest darf er 65 Prozent auf den freien Markt bringen. Die verbleibenden 35 Prozent muss er 40 Prozent unter dem aktuellen Bodenrichtwert verkaufen. Bisher musste er die Hälfte des Baulands vergünstigt abgeben, im Gegenzug aber nur 20 Prozent unter dem Bodenrichtwert. Heißt also: Künftig gibt es Grafing also weniger Bauland für Einkommensschwächere. Das allerdings ist dann günstiger.

Wer unter die Förderung fällt, das regelt der Kriterienkatalog. Er soll sicherstellen, dass tatsächlich diejenigen zum Zuge kommen, für die verbilligtes Bauland gedacht ist: kinderreiche Familien mit Verbindung zum Ort, aus einer Vermögens- und Einkommensklasse, in der man sich ein eigenes Heim im teuren Münchner Speckgürtel sonst nicht leisten könnte.

Nötig ist der neue Katalog, weil der alte - wie in vielen anderen Gemeinden auch - europäischem Recht widerspricht. Die Dauer der Ortszugehörigkeit als eine der Kriterien muss gesenkt werden, weil die bisherigen zehn Jahre nicht mit der EU-Freizügigkeit vereinbar sind. Dem neuen Kriterienkatalog zufolge genügt es deshalb nun, mindestens fünf Jahre ununterbrochen in Grafing gewohnt zu haben. Zudem berechtigt sind Leute, die während ihrer ersten 18 Lebensjahre mindestens zwölf Jahre in der Stadt wohnten und dabei nicht länger als 15 Jahre auswärts verbrachten. Der erste Teil der Regelung ist vor allem für Grafinger Kinder attraktiv, die nach ihrer Ausbildung wieder nach Grafing zurückkehren wollen.

Bei der konkreten Punkteverteilung, die die schlussendliche Reihenfolge der Grundstücksverteilungen regelt, gewichtete der Stadtrat im Haushalte lebende Kinder nun höher. Die Punkte für Pflegebedürftige im Haushalt hob er von 30 auf 50 an.

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