Grafing:S-Bahn zwischen Grafing-Bahnhof und Ebersberg fährt wieder

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Die Bahn macht mobil, wer sie nutzt, lernt, flexibel zu sein. (Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Sieben Wochen lang war die Strecke wegen Sanierarbeiten gesperrt. Seit Freitagabend läuft nun wieder der reguläre Zugverkehr.

Von Thorsten Rienth, Grafing

Sieben Wochen Schienenersatzverkehr, Umwege und chaotische Zustände auf den Straßen und an Bahnübergängen. Am Freitagabend hätte das ein Ende haben sollen. Um kurz vor 16 Uhr hatte die Deutsche Bahn der SZ noch versichert, dass die S-Bahnen zwischen Grafing-Bahnhof und Ebersberg von 18.30 Uhr an wieder wie gewohnt fahren werden. Umso größer dürfte die Überraschung für all jene gewesen sein, die sich auf diese Auskunft verlassen haben und am Bahnsteig standen. Denn: Stand 21 Uhr war in Ebersberg noch keine S-Bahn angekommen.

Offensichtlich gab es, kurz bevor es hätte losgehen sollen, dann doch noch ein Problem. Anwohner der Strecke berichteten der SZ, dass sie bisher weder einen Zug gesichtet noch gehört hätten. Die zuständige Pressestelle der Deutschen Bahn in München ist nach 20 Uhr telefonisch nur noch per Anrufbeantworter zu erreichen. Auf der Webseite der MVV steht um 21.19 Uhr: "Aufgrund von nicht abgeschlossenen ist weiterhin kein Zugverkehr zwischen Grafing und Ebersberg möglich", heißt es dort. "Die Arbeiten können voraussichtlich erst im Laufe des kommenden Tages, 10.6., beendet werden." Vermutlich ist mit "Grafing" nicht "Grafing-Stadt" sondern "Grafing-Bahnhof" gemeint, weil dort in den vergangenen sieben Wochen ja der Schienenersatzverkehr nach Ebersberg und zurück fuhr.

Am Nachmittag hatte die Bahn verkündet, dass die Strecke nach sieben Wochen wieder freigegeben werde. "Die Arbeiten sind abgeschlossen, alle Bahnübergänge wieder offen, die S-Bahnen fahren nach ihrem normalen Fahrplan", hatte eine Sprecherin mitgeteilt. Auf 5,3 Kilometern Länge hatte die Bahn mehr als zehneinhalb Kilometer Schienen und 8800 Schwellen erneuert. Außerdem tauschte sie 13000 Tonnen Schotter aus und legte neue Entwässerungssysteme an.

Ab wann die S-Bahn zwischen Grafing-Bahnhof und Ebersberg wieder wie gewohnt fahren wird, ließ sich über offizielle Stellen bis 21.30 Uhr weder telefonisch noch per Email-Anfrage herausbekommen.

Die Odyssee begann Ende April: Zunächst legte sich die Bahn mit den Grafingern und Ebersbergern an, gleich nach dem Beginn der Bauarbeiten am Montag nach den Osterferien lief nämlich einiges schief: Bei den Bussen, die ersatzweise zwischen den Bahnhöfen unterwegs waren, kam es zu Irritationen und Verspätungen - etwa, weil der Platz in den Fahrzeugen zeitweise nicht ausreichte, um alle Passagiere mitzunehmen. Ein Bus blieb sogar auf halber Strecke liegen, die 50 Insassen machten sich zu Fuß auf den Weg nach Grafing-Bahnhof. Starke Nerven waren auch bei denen gefordert, die gar nicht mit dem Schienenersatzverkehr unterwegs waren. Etwa wenn sich die großen Busse an der Engstelle am Grafinger Marktplatz, wo sich Rotter Straße und Münchner Straße kreuzen, mal wieder gegenseitig blockierten - und den Rest des Verkehrs gleich mit.

Da drei von vier Grafinger Bahnübergängen komplett gesperrt waren, quetschten sich die Autos durch die wenigen verbleibenden Nadelöhre. Außerdem galt die Sperrung - was zunächst nicht bekannt war - auch für Fußgänger. Schulkinder, die nördlich der Bahnlinie wohnen, kamen zwar morgens noch zur Schule, mittags aber nicht mehr zurück.

Erst als Landrat Robert Niedergesäß Vertreter von Polizei, der Bahnen und den Verwaltungen zum Krisengespräch einlud, kam Bewegung in die Angelegenheit: Komplett gesperrt blieben die Fußgängerübergänge nur noch dann, wenn dort auch wirklich gearbeitet wurde. Obendrein wurden die Bautrupps angewiesen, Fußgängern behilflich zu sein. Prompt berichteten tags drauf zwei Grafinger Radler, ihnen seien die Fahrräder von den Arbeitern sogar über die Gleise getragen worden. Allseits gelobte man, sich bei derartigen Vorhaben untereinander besser abzustimmen. Im Nachhinein hätte sich wohl so zumindest die Panne mit den Fußgängerwegen verhindern lassen.

Die bisher sieben Wochen Pause zeigten auch so manchem, wie wertvoll der S-Bahn-Anschluss im Alltag eigentlich ist. "Verspätungen hin oder her, immerhin ist sie gefahren", freute sich am Freitag eine Ebersbergerin vorzeitig, die zur Arbeit nach München pendelt. Seit dem Ende der Osterferien sei sie mit dem Bus und manchmal dem Fahrrad nach Grafing-Bahnhof gefahren. "In die S-Bahn kann ich mich reinsetzen, bekomme in Ebersberg noch leicht einen Platz und los geht's."

Im politischen Grafing hatte zudem die Sperrung der Fußgängerüberwege ein Nachspiel. Der Grafinger Stadtrat und CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber hatte Bürgermeisterin Angelika Obermayr (Grüne) und der Stadtverwaltung Versäumnisse in der Stadtverwaltung vorgeworfen. Tatsächlich stellte sich wenig später heraus, dass die Stadtverwaltung explizit auf die Fußgängersperrung hingewiesen worden war. In der sogenannten Verkehrsrechtlichen Anordnung des Ebersberger Landratsamts sind diese Angaben enthalten: "Gesamtsperrung des Verkehrs, Gesamtsperrung Gehweg, Sperrung Fahrradweg."

Für die CSU ist daran pikant, dass die E-Mail am 12. April versandt wurde - Bürgermeisterin Obermayr befand sich in dieser Woche im Osterurlaub. Hubers Parteikollege und zweiter Bürgermeister Josef Rothmoser regierte deshalb im Rathaus. Hätte sich also womöglich bis zum Montag, 24. April, noch etwas bewegen lassen? Rothmoser sieht das nicht so. Es sei in dieser Woche lediglich noch um die Baudurchführung gegangen, erklärte er auf Nachfrage. Bei der Kritik an Obermayr sei es darum gegangen, dass die Problematik mit den Überwegen nicht schon proaktiv Wochen zuvor regelt worden sei.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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