Grafing:Rückschlag für Bürgerbegehren

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"Nicht zulässig": Die Stadtverwaltung in Grafing sieht keine rechtliche Grundlage mehr für eine öffentliche Abstimmung über einen neuen Supermarkt an der Leonhardstraße.

Thorsten Rienth

Die Pressemitteilung, die Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie Wähler) gestern Vormittag an die Redaktionen verschickt hat, dürfte die Gegner des Vollsortimenters an der Leonhardstraße ins Mark treffen: "Die Stadt Grafing kommt zu dem Ergebnis, dass das Bürgerbegehren nicht zulässig ist. Man muss dem Stadtrat daher empfehlen, den Antrag auf Durchführung des Bürgerentscheides abzulehnen." Das Begehren dazu hatten vor wenigen Wochen etwa 1350 Grafinger unterzeichnet.

Auf dem Gelände gegenüber des Friedhofs sollen ein Vollsortimenter und ein Drogeriemarkt entstehen. Die Frage, ob darüber in einem Bürgerentscheid abgestimmt wird, geht nun in die nächste Runde. (Foto: EBE)

Ausschlaggebend für die Empfehlung seien im Wesentlichen zwei Gründe, erklärte Heiler im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Der erste betrifft die Fragestellung des Begehrens, die auf die Aufhebung des geltenden Bebauungsplans abzielt. Der Plan allerdings ist vom Landratsamt noch gar nicht genehmigt - er könne also auch nicht aufgehoben werden. Und selbst wenn, würde durch ein Bürgerbegehren ein Bebauungsplan ja nicht einfach ungültig. "Dafür wäre wieder das gleiche Verfahren mit der gleichen öffentlichen Beteiligung notwendig, wie bei der Erstellung." Die Entscheidung für die Empfehlung sei deshalb "so etwas von eindeutig".

Die Initiatoren des Begehrens - zu ihnen gehört auch der CSU-Kreisrat und Kreishandwerksmeister Hans Schwaiger - machten aus ihrer Enttäuschung über die Empfehlung aus dem Rathaus kein Hehl. "Wir sind sauer, wir sind verärgert, wir sind erstaunt", dass die rechtlichen Bedenken an der Fragestellung nicht schon früher auffielen, sagte Silke Lechner. Sowohl Stadtverwaltung als auch Landratsamt hätten in einer ersten Prüfung "unter Zeugen" keine derart grundsätzlichen Bedenken geäußert.

"Wir werden jetzt eine neue Fragestellung nachlegen", kündigte die Initiatorin am Donnerstagnachmittag an. Tatsächlich kann die Fragestellung im Nachhinein noch geändert werden. Ihr Kern muss allerdings erhalten bleiben. Für Silke Lechner ist das Aufbäumen eine Frage des Prinzips: "Wir haben 1350 Unterschriften gesammelt, da tragen wir die Verantwortung, nicht beim ersten Rückschlag aufzuhören."

Die neue Frage soll den "materiell-rechtlichen Bedenken" Rechnung tragen und auf ein "Aufhebungsverfahren des Bebauungsplans" abzielen. Gelingt der Schachzug, wäre dies für die Investoren ein herber Rückschlag. Ein neues Verfahren könnte die endgültige Baugenehmigung beachtlich verzögern. Dass das Thema vom Tisch ist, glaubt offenbar auch Bürgermeister Heiler nicht. Er habe die Initiatoren bereits "zu einem Gespräch eingeladen, um nach alternativen Lösungswegen zu suchen, die (...) zu einem (...) auch rechtlich umsetzbaren Ergebnis führen", schrieb Heiler in seiner Pressemitteilung.

In Grafing überschlagen sich mit den neuerlichen Entwicklungen die Ereignisse. Noch am Mittwochabend hatten Initiatoren und Planer das Projekt im "Heckerbräu" erstmals öffentlich vorgestellt. Aus Sicht des Grafinger Gewerbeverbands stellte dessen Vorsitzender und Dritter Bürgermeister Heinrich Hölzle die Vorzüge eines solchen Innenstadt nahen Vollsortimenters vor. Der Markt sei "eine große wirtschaftliche Stärkung der Innenstadt", "ein Einkaufsmagnet für die Stadt Grafing" und würde für das gesamte Stadtzentrum "Zusatzgeschäfte generieren".

Das sahen die Kritiker erwartungsgemäß anders. "Ist euch eigentlich klar, dass so ein großer Markt unsere kleinen Geschäfte im Zentrum kaputt macht?", fragte ein Zuhörer. In anderen Wortmeldungen war von einem "überdimensionierten" Bau die Rede, der das Gesicht Grafings verändern werde und die Sicherheit am Hauptschulweg in der Leonhardstraße stark gefährde. Dem hielt Christian Einhellig, Architekt des Marktes und FW-Stadtrat, entgegen, dass die Verlagerung des Schulwegs auf die südliche Straßenseite "eine eindeutige Verbesserung der derzeitigen Schulwegsicherheit sei" - trotz der prognostizierten zusätzlichen 2500 Fahrbewegungen am Tag.

Eine überraschende Wendung erfuhr die Diskussion dann allerdings durch einen Nebensatz. In diesem schlug die Initiatorin des Begehrens, Silke Lechner, ein Schlichtungsverfahren vor. Damit könnten die verhärteten Fronten zwischen Investoren und Gegnern womöglich aufgebrochen werden.

© SZ vom 20.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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