Grafing:Rollenwechsel im Eiltempo

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Birgit Quirchmayr, Schauspielerin und Leiterin des Tatwort-Improvisationstheaters aus Grafing, redet viel mit den Händen, mit Gesten und Mimik. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Grafingerin Birgit Quirchmayr ist Gründerin und Geschäftsführerin des Münchner Tatwort-Improvisationstheaters. Gespielt wird immer sonntags und montags in der Drehleier.

Von Carolin Fries

Rückblickend spricht Birgit Quirchmayr über ihr Jurastudium als "Findungszeit". Herausfinden sollte sie bis zum ersten Staatsexamen unter anderem, dass die Paragrafenwelt nicht ihre Welt sein würde. Sie wollte doch schon immer Schauspielerin werden. In der Schule spielte sie Theater, bei Vorträgen stand sie in der ersten Reihe, suchte man jemanden für eine Moderation, schoss ihr Finger quasi wie von alleine in die Höhe. Darum hatte sie sich auch bei der Otto-Falckenberg-Schule beworben damals, als das Abitur anstand. 18 Jahre jung, es hätte auch funktionieren können. Doch sie bekam eine Absage. Also Jura.

Birgit Quirchmayr ist dann doch Schauspielerin geworden. Heute ist die Grafingerin Geschäftsführerin des Münchner Tatwort Improvisationstheaters, das sie Anfang der 90er-Jahre mitgegründet hat und welches sie inzwischen als GbR zusammen mit Annette Hallström leitet. Zweimal in der Woche, immer sonntags und montags, stehen mindestens zwei Ensemblemitglieder in der Drehleier auf der Bühne, dazu kommen deutschland- und europaweit Auftritte und Coachings. Improvisationstheater, das ist viel Technik und Schauspieltraining, sagt Quirchmayr. "Man kann das lernen." Und auch wieder nicht. Spontaneität sei am wichtigsten - und der Glaube an den Partner. Wenn sie erzählt, dann spricht ihr ganzer Körper. Sie nutzt vor allem die Hände, Mimik und Gestik.

Improvisieren - das liegt nicht jedem Schauspieler

In den 70er Jahren schuf Keith Johnstone in England das Konzept Theatersport, die bis heute populärste Form des Improtheaters, die sich seither global verbreitet. Schöpferische Quellen sind dabei das Unbewusste. Und das Miteinander: Improtheater lebt vom Miteinander auf der Bühne, vom nicht abgesprochenen Weiterdrehen einzelner Gedanken und Ideen, deren Basis Textfragmente, einzelne Wörter oder eine vorgegebene Situation sind.

Auch um einen Gegenstand wie etwa eine Gießkanne lässt sich eine Nummer auf die Bühne stellen. "Es ist nicht so, dass das jeder Schauspieler kann", sagt Quirchmayr. Auch nicht jeder gute. Andere wiederum hätten ein "Impro-Gen". Dieses erlaube es, im Eiltempo in diverse Rollen zu schlüpfen und ohne großes Nachdenken zu reagieren. Denn fürs Überlegen ist auf der Bühne keine Zeit, man muss die erste Idee nehmen, die das Theaterhirn kreiert. Für Birgit Quirchmayr ein Hochgenuss: "So kann ich an einem Abend immer wieder jemand anderes sein."

Das Tatwort Improvisationstheater hat neben aktuell acht Darstellern zwei Musiker, die abwechselnd mit auf der Bühne stehen. Das bietet zusätzliche Möglichkeiten. Birgit Quirchmayr etwa singt gerne. Und sie liebt Akzente und Dialekte. Der Wiener Schmäh liegt ihr im Blut, nahe der österreichischen Hauptstadt wurde sie geboren. Sie war noch ein Kleinkind, als die Familie nach Bayern zog.

Als Quirchmayr das Jurastudium schmeißt, beschließt sie, sich " Schauspielunterricht zu holen". Sie bucht privat, ihren Lebensunterhalt finanziert sie mit kleinen Fernseh-Rollen zum Beispiel in Serien wie "Marienhof" oder mit Synchronsprecher-Jobs. Parallel formiert sich die Impro-Gruppe. Als Quirchmayr und Co. beim Talentetag im Münchner Teamtheater Tankstelle gewinnen und schließlich den Monatssieg davontragen, bieten zwei Theater ein Engagement an. Die Wahl fällt auf das Fraunhofer.

Die Zuschauer wollen lachen, aber keine Comedy

Jeden Sonntag gilt es nun, die Bude voll zu kriegen. "Da muss man sich was einfallen lassen", sagt Quirchmayr. Also gibt es Hutshows und Gladiatorenkämpfe. Bald wird es zu eng, man verabschiedet sich schweren Herzens in Richtung Hart ins Hinterhoftheater und für Großveranstaltungen an den Schlachthof. Seit sieben Jahren ist Tatwort zurück im Herzen der Stadt, in der Drehleier, an "meinem und unser aller Lieblingsplatz". Seit Anfang des Jahres gibt es neben dem Sonntag einen zweiten Spieltag: immer montags.

Tatwort ist längst eine professionelle Truppe geworden, durchschnittlich sind 150 Zuschauer bei den Auftritten in der Drehleier dabei. Sie wollen lachen, aber keine Comedy. Sie wissen, was sie erwartet und können sich dennoch überraschen lassen. Danach fragen sich viele: "Wie machen die das bloß?" Und: "Kann ich das auch?" Für alle, die es wissen wollen, bietet Tatwort Workshops an, von der Schnupperstunde bis zum Master-Kurs. Außerdem gibt es Kurse, die auf bestimmte Lebenssituationen zugeschnitten sind, etwa "Empathie und Abgrenzung" oder "Smalltalk".

Viele Unternehmen haben verstanden, dass man "auf witzige, spaßige Art und Weise viel vermitteln kann", wie Quirchmayr sagt. Zu den Kunden gehört neben großen Firmen auch die Staatskanzlei. Seit sechs Jahren beteiligt sich Quirchmayrs Gruppe außerdem am "Tusch"-Projekt der Landeshauptstadt, welches Münchner Theater für eine jeweils zweijährige Zusammenarbeit in die Schulen bringt.

Im Landkreis Ebersberg indes tritt Tatwort kaum auf. Woran das liegt? Quirchmayr weiß keine Erklärung. "Mein Gefühl ist, dass Improvisationstheater hier nicht so beliebt ist". Sie hofft, dass sich das bald ändert.

Die Tatwort-Improshow ist immer sonntags um 20 Uhr und montags um 19.30 Uhr im Theater Drehleier in der Rosenheimerstraße in München zu sehen. Reservierungen unter Telefon 089/48 27 42 oder www.tatwort.de

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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