Partybus Grafing:Rollender Club

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Seit zehn Jahren kurvt der Partybus aus Grafing an den Wochenenden durch den Landkreis und nach München. Ist der Alkoholpegel hoch genug, wagen sich manche sogar an die Poledance-Stange - nackt

Von Anne Schinko und Jan Linkersdörfer, Grafing

Es ist halb elf Uhr abends, ein Freitag. Der rote Bus mit dem "Captain Morgan"-Logo biegt in den Haltestellenbereich des Bahnhofs Grafing ein. Auf den ersten Blick sieht er aus wie ein mit Reklame überzogener Linienbus. Erst beim Betreten offenbart er seinen eigentlichen Charakter und Zweck: Im vorderen Bereich eine lange Theke, hinten sofaähnliche Sitzpolster, schrille Beleuchtung und eine Poledance-Stange in der Mitte - in diesem Bus kann man ausgiebig feiern.

Jedes Wochenende um halb elf Uhr abends fährt der Partybus von Grafing aus durch den ganzen Landkreis nach München. "Vom Land kommt man nur schwer nach München rein und wieder zurück, wenn man abends feiern gehen will", erklärt Andreas Leutschacher. "Da mussten wir was machen." Seit zehn Jahren chauffiert er mit seinem Unternehmen nun das Party-Volk aus dem Landkreis in die Clubs nach München, kommendes Wochenende steht das Jubiläum an.

Zu diesem Anlass fahren am Samstagabend zwei Busse: Der eine die gewohnte Route nach München, der andere kurvt ausschließlich durch den Landkreis. 15 Euro kostet eine Fahrt normalerweise, inklusive einem Freigetränk und bestimmten Vergünstigungen in diversen Clubs. Um 5.40 Uhr am Morgen geht es dann wieder zurück. Bis dahin dreht der Bus unaufhörlich seine Runden in der Innenstadt. Zu- oder aussteigen kann man nach Belieben an den planmäßigen Haltestellen. Abfahrtspunkt ist wie auch an diesem Abend der Bahnhof in Grafing.

Andreas Leutschacher hinter der Bar, die den Mittelpunkt des coolen roten Busses bildet. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Kurz vor der Abfahrt wird noch schnell das Geld gezählt, die Lichter werden angemacht - rot, blau und grün blinkt es nun im Bus - und der DJ befestigt seinen Laptop auf dem Pult. Linda Dimov feiert heute zusammen mit ihren Freunden ihren Geburtstag im Partybus nach. "S-Bahnfahren ist langweilig, hier hat man Musik, Getränke und man kann auf der Fahrt vorglühen", sagt die 22-Jährige.

Mittlerweile wird es voll im Bus. Schon bei der zweiten Station steigen mindestens zwanzig Leute ein, und bei jedem weiteren Halt kommen noch mehr dazu. Erstes Ziel der Fahrgäste ist immer die Bar. Unter Extrembedingungen - man wird des öfteren unsanft durch die Gegend geschaukelt, wenn der Fahrer mal wieder abrupt bremst - mixt Maria Rupsch hier Cocktails und Shots, die Namen wie "Wodka Porno" haben. "Heute ist es besonders voll", sagt Maria, die nur kurz Pause machen kann, weil schon die nächsten Durstigen zur Bar drängen. Und obwohl es hier laut ist, wackelt und ab und an verraucht ist, macht es der 23-Jährigen Spaß, im Partybus zu arbeiten: "Die Leute hier im Bus sind meistens entspannter als das Feiervolk in München selbst", sagt sie.

Ausgestiegen wird nur, wenn der Lieblingsclub in Sicht ist oder gerade Pinkelpause gemacht wird: alle 25 Minuten, so sieht es der Fahrplan vor. Da wird der Bus, dann auch zum ersten Mal ein bisschen leerer. Aber nur für kurze Zeit. Denn wer bei der ersten Station in München, der Kultfabrik, nur zur Toilettenpause aussteigt, ist nach fünf Minuten auch schon wieder in einem dichten Gedränge. Trotz der vielen - meist schon etwas betrunkenen - jungen Menschen, gibt es selten irgendwelche Zwischenfälle, sagt Leutschacher.

Vor zehn Jahren (Foto unten rechts) tourte er erstmals durch den Landkreis. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Hin und wieder müsse sich der ein oder andere Fahrgast übergeben, aber dazu gebe es die sogenannten "Kotztüten", und wenn es ganz schlimm wird, bleibt der Bus auch stehen. Das Schrägste, was laut Leutschacher gelegentlich passiert, ist dass "manche Gäste sich hin und wieder ganz nackt ausziehen und an der Stange tanzen". Eine solche gibt es nämlich auch hier, mitten im Bus. "Egal ob Mann oder Frau", sagt Maria hinter der Bar. Währenddessen legt der DJ Philipp Brauner, einen Remix von Snoopdog, Macklemore und The Prodigy auf. So richtig hoch kocht die Stimmung allerdings erst bei Helene Fischer - "Atemlos".

Wegen der Musik fährt auch Sylvia Gruber zusammen mit ihrem Mann Manfred mindestens dreimal im Jahr mit dem Partybus. Meistens drehen sie zwei bis drei Runden in München und steigen dann aus, um durch die Clubs zu ziehen. Man lerne hier viele Leute kennen, sagt die 44-Jährige.

Anlässlich des zehnjährigen Bestehens legen am Samstagabend zwei DJ-Lokalgrößen im Partybus auf: DJ Libella und DJ Chess. Der erste Bus startet um neun Uhr am Grafinger Bahnhof und fährt die ganze Nacht lang durch den Landkreis. Der zweite Bus fährt die gewohnte Strecke nach München und wieder zurück. Mehr Informationen zu den Fahrplänen gibt es unter www.club-and-line.de.

Jedes Wochenende um halb elf Uhr abends fährt der Partybus von Grafing aus durch den ganzen Landkreis nach München. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Stefanie Winklhofer hat ihren 18. Geburtstag im Partybus gefeiert und früher fast jedes Wochenende hier verbracht. Heute ist sie 25 und fährt höchstens noch einmal im Monat mit. Trotzdem sei es auf jeden Fall besser als mit der S-Bahn. "Sie", sagt Stefanie und zeigt auf ihre Freundin, dem Mädchen neben sich, "ist sogar extra von München nach Grafing gekommen, um mit dem Partybus wieder zurück in die Stadt zu fahren."

© SZ vom 28.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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