Grafing:Regiment der Quart und Quint

Josef Ressle und seine Combo präsentieren eigenwilligen Klang

Von Claus Regnault, Grafing

Es wehte einen kühl an, Frühlingsmusik erklang, noch von winterlichen Winden durchzogen. Da hatten Terzen und blue notes wenig zu sagen, so sehr hatten Quarten und Quinten die Herrschaft übernommen. Die Combo des Münchener Jazzpianisten Josef Ressle trägt nicht umsonst den Namen Quinternion, damit ist nicht nur die Fünferzahl seiner Musiker gemeint, sondern auch der eigenwillige Klang dieser von Ressle komponierten Musik. Da musste man sich schon tief in die Jazzgeschichte zurückerinnern, um halbwegs Vergleichbares zu entdecken: so etwa die kühnen, als abseitige Frucht des Bebop entstandenen Findungen eines Lenny Tristano und seiner Mitstreiter Lee Konitz und Warne Marsh, die schon 1949 und damit als Vorläufer des Free Jazz bis zur Atonalität vorstießen; oder etwa John Coltrane und sein Pianist Alfred McCoy Tyner. Was Wunder, dass die hierorts ungewohnten Klänge beim Publikum in dem bis zum letzten Platz besetzten Jazzturm leichte Irritation auslösten.

Dabei erwiesen sich die fünf Mitglieder dieser Band als wohl überwiegend hochschul-zertifizierte Profis. Dies sind Ressle am Piano, Sängerin Natalie Elwood, Matthieu Bordenave am Tenorsaxofon, Lorenz Heigenhuber am Bass und Sebastian Wolfgruber an den Drums. Für den Klangstil dieser Gruppe erwies sich insbesondere die Vokalistin Elwood als Besonderheit: Sie trug mit dieser Stimme, teilweise unisono mit dem Tenorsaxofon, teilweise kontrapunktisch und instrumental geführt, zum Sound klangentscheidend bei. Neben dem ideenreichen Spiel Ressles war es vor allem das Tenorsaxofon von Bordenave, welches in ausgedehnten und technisch virtuos gestalteten Improvisationen das musikalische Geschehen bestimmte. Bei ihm wurde auch der Rückbezug zu seinem Vorbild Warne Marsh erfahrbar. Auch der für den ursprünglichen Bassisten der Gruppe eingesprungene Lorenz Heigenhuber bewies improvisatorische Könnerschaft, und Sebastian Wolfgruber ließ seine Drums dem Stil der Gruppe angemessen sanft, aber nachdrücklich ertönen.

Bezeichnend für diese Musik waren auch die Titel der an diesem Abend gebrachten Stücke wie "Cloudy Sunday", die Ballade "Dark Sea" und "Dreamscape". Herzstück die Solo-Ballade "Once in a blue moon", die, nur von Ressles Piano begleitet, Natalie Elwood innig und mit makelloser Intonation vortrug.

Nach dem Eröffnungsset wurde die Jamsession-Phase des Abends fulminant dadurch eingeleitet, dass der Baldhamer Jazzstar Claus Raible mit vehementen Akkorden und überschäumenden Improvisationen die Mitspieler - die drei Instrumentalisten von Quinternion (ohne Ressle) - in heiße Bebop-Zonen entführte. Da gab es auch jede Menge Terzen und blue notes und ein zu begeisterter Teilnahme angeregtes Publikum. Raibles Spiel mit seinem schier unerschöpflichen Einfallsreichtum ist immer wieder ein Erlebnis.

In der Pause verabschiedete sich Frau Elwood mit der Bemerkung, sie habe es eilig, weil ihr drei Monate altes Kind auf sie warte. Welch ein Glück für ein Kind, von einer so stimmbegabten Mutter in den Schlaf gesungen zu werden.

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