Grafing:Mit großem Ausdruck

Wenn sich Demenzkranke nicht mehr mit Worten verständigen können, hilft ihnen die Malerei, sich dennoch mitzuteilen. Welche bemerkenswerten Bilder dabei herauskommen, zeigt eine Ausstellung im Grafinger Caritas-Zentrum

Von Karin Kampwerth, Grafing

Vielleicht wäre Anna Suppmayr gerne Floristin geworden. Oder Gärtnerin. Dass ihre große Leidenschaft allem gehört, was grünt und blüht, zeigen ihre Bilder - wunderschöne Motive voller Farbe, Fantasie und floraler Üppigkeit. Im echten Leben hat Anna Suppmayr allerdings im Büro gearbeitet, wie ihre Tochter verrät, die sie ins Caritas-Zentrum nach Grafing begleitet hat. Dort wurde am Mittwochabend mit einer Vernissage die Ausstellung "Malen trotz Demenz" eröffnet.

18 Exponate zeigen bis zum 28. April beeindruckende Bilder, die Demenzkranke unter Anleitung von Kunsttherapeutin Viola Lombardi hergestellt haben. Einmal wöchentlich trifft sich die Gruppe in Dachau, "und wir haben viel Spaß", erzählt Anna Suppmayr mit fröhlich blitzenden Augen. Möglich, dass die 78-Jährige aufgrund ihrer Erkrankung die Zusammenhänge, die zu der Ausstellung geführt haben, nicht mehr ganz erfasst. Dass sie aber stolz auf ihre Bilder ist und das viele Lob genießt, das sie an diesem Abend dafür erhält, ist ihr anzusehen.

Claudia Höwing von der Angehörigenberatung im Caritas-Zentrum erläuterte, dass die Ausstellung, die von der Dachauer Caritas ausgeliehen wurde, nicht nur einen Zeitvertreib für die Patienten abbilde, sondern in der täglichen Arbeit von Bedeutung sei. Denn dass die Anzahl der Demenzkranken zunehme, spürten Beratungsstelle und Pflegedienst. "Mit dem demografischen Wandel ist Demenz die nächste Volkskrankheit", sagte Höwing, die die Erkrankung bedrückend kurz zusammenfasste: "Menschen, die fest im Leben standen und Verantwortung für Familie und Beruf übernommen haben, verlieren sich selbst." Erreichen könne man Demenzkranke aber über Musik und Malerei, denn beides seien Möglichkeiten, mit denen sie sich noch mitteilen könnten, wenn sich die Sprache bereits verflüchtigt habe.

"Manchmal rutschen die Gedanken einfach weg. Sie sind dann in den Werken als bildnerische Spuren zu erkennen, die aber auch eine kommunikative Rolle spielen und die eigene Äußerung sowie das innere Stimmungsbild widerspiegeln", schreibt Kunsttherapeutin Lombardi in einem Grußwort. Kurz: "Die Malerei gibt den Betroffenen das Gefühl, noch etwas zu können und etwas zu sagen zu haben", so Höwing. Das bestätigen Zitate, die von Gruppenteilnehmern gesammelt wurden und als Teil der Ausstellung nachzulesen sind. "Durch das Malen komme ich besser an meinen Kopf ran", heißt es dort. Oder: "Seitdem ich in der Gruppe bin, singe ich viel mehr, auch nachts, wenn ich aufwache. Mein Mann bekommt schon Angst."

Caritas Kunst im Zentrum Demenz

Auch hübsch verschachtelte Werke wie dieses gehören zum Repertoire.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auch Anna Suppmayr fühlt sich wohl in der Gruppe, die Frage danach beantwortet sie mit einem strahlenden Lächeln. Ihre Tochter berichtet, dass sie im Anschluss immer sehr entspannt sei. Sicher auch, weil die Gruppe Farbe in einen Alltag bringt, dessen Strukturen zunehmend unter einer grauen Nebeldecke verschwinden. "Ich mag Rot, Grün und Gelb", sagt Anna Suppmayr vor einem üppigen Blumenstrauß, den sie nach einer Inspiration durch Paul Klees "Rosengarten" gemalt hat. Claude Monets "Seerosen" wiederum hat die 78-Jährig als roten Wattebausch in einem blauen Wolkenbad gefühlvoll umgesetzt. Eine "blaue Blume" hat sie nach einer Fantasiereise dynamisch auf die Leinwand getupft. Beim Thema "Arbeitsplatz" taucht ein großer Blumenstrauß auf.

Das Bild einer anderen Teilnehmerin, mit Jutta M. signiert, lässt vermuten, dass die Künstlerin einmal als Verkäuferin gearbeitet hat. Zu sehen ist ein Tresen mit einer Waage darauf und verschiedenem Obst in der Auslage. Johannes G. wiederum könnte Stahlarbeiter oder Feuerwehrmann gewesen sein, auf seinem in verschiedenen dunklen Rotnuancen gemalten Bild hat er die Funken mit dem Pinsel fliegen lassen.

Für Caritas-Kreisgeschäftsführer Andreas Bohnert ist der Zeitpunkt der Ausstellung gut gewählt. Sie sei quasi der Auftakt zu einer Themenwoche der Demenz des Katholischen Kreisbildungswerkes in Zusammenarbeit mit der Caritas, dem Landkreis Ebersberg, der Alzheimer-Gesellschaft und dem Netzwerk "Generation 55plus" am Fachzentrum Ernährung/Gemeinschaftsverpflegung. Bei der Auftaktveranstaltung liest die demenzkranke Schriftstellerin Helga Rohra aus ihrem Buch "Ja zum Leben - trotz Demenz." Beginn ist am Montag, 6. März, um 18 Uhr im Landratsamt.

Die Woche der Demenz beleuchtet die Erkrankung aus verschiedenen Perspektiven. Es gibt Vorträge und Diskussionsrunden zu Alltag, Ernährung oder Wohnformen genauso wie einen Tanztee oder einen Workshop für Zwölf- bis 16-Jährige. Das Programm findet sich unter www.kbw-ebersberg.de.

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