Grafing:Missionar der Wirtschaftseliten

Grafing: Die Dummheit der Eliten regt ihn auf: Fritz Lietsch hat früher selbst schnelle Autos geliebt. Inzwischen sind ihm Tomaten vom eigenen Acker wichtiger. Er will Unternehmen überzeugen, dass Umweltschutz durchaus rentabel sein kann.

Die Dummheit der Eliten regt ihn auf: Fritz Lietsch hat früher selbst schnelle Autos geliebt. Inzwischen sind ihm Tomaten vom eigenen Acker wichtiger. Er will Unternehmen überzeugen, dass Umweltschutz durchaus rentabel sein kann.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Fritz Lietsch aus Grafing ist überzeugt, dass sich nachhaltiges Unternehmertum und Profit nicht ausschließen. An diesem Freitag trifft er auf UN-Generalsekretär Ban Ki Moon.

Von Anselm Schindler, Grafing

23. Stock, Emporio Tower, Hamburg City. Hier hält Kanzleramtschef Peter Altmaier an diesem Freitagvormittag die Laudatio. Hauptredner ist Ban Ki Moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, es geht um den Nachhaltigkeitspreis. Mit dabei: Prominenz aus Politik und Wirtschaft, mitten drin: Fritz Lietsch aus Wiesham bei Grafing. Vor zwei Jahren sind er, seine Frau und die Kinder dorthingezogen, ins Haus seiner Eltern, wo Lietsch aufgewachsen ist.

Zwischen dem Gemeinschaftsacker hinter dem Haus - Lietsch baut dort mit anderen Gemüse an - und dem Emporio Tower liegen 800 Kilometer, gefühlt noch viel mehr. Vielleicht ist es genau diese Distanz, die Lietsch abbauen will, zumindest in den Köpfen. Der Traum von einer nachhaltigen und ökologischen Gesellschaft schließt erfolgreiches Unternehmertum und Profitstreben nicht aus, davon ist Lietsch überzeugt. Seine Mission ist es, davon auch andere zu überzeugen.

Lietsch trug das Wort Nachhaltigkeit schon vor Jahrzehnten auf den Lippen. Er half mit, dass heute auch viele Unternehmer nicht nur davon sprechen - sondern tatsächlich nachhaltig wirtschaften. Der Verleger hat das alternative Branchenbuch ECO-World und die dazugehörige Website aufgebaut, gründete ein führendes Internetportal für Naturkosmetik und bekam den renommierten BAUM-Umweltpreis. Lietsch ist Chefredakteur des Magazins Forum - Nachhaltig Wirtschaften, berät Firmen und Politiker, hält Vorträge und moderiert Konferenzen. Deshalb wurde auch er nach Hamburg eingeladen.

BWL und Umweltschutz - schließt sich das nicht aus?

Ein Hippie war Lietsch nie, auch kein Öko im klassischen Sinne, er fuhr früher gerne schnelle Autos, war auch Herausgeber eines Cabrio-Magazins. Das zumindest hat sich inzwischen geändert: "Auto fahre ich nicht. Wieso soll eine Tonne Blech ein paar Kilogramm Mensch rumfahren?" Lietsch hat sich schon immer über den Raubbau an der Natur geärgert - und fing ein BWL-Studium an. Nicht trotz, sondern wegen der Zweifel an der Gesellschaft. "Ich wollte es anders machen, statt nur meckern."

Vor rund 30 Jahren brachte er die erste Auflage des alternativen Branchenbuches heraus. Damit wollen er und seine Mitstreiter Firmen die Möglichkeit geben, für sich zu werben. Firmen wohlgemerkt, die sich mit ihren Produkten und ihrer Produktionsweise in den Dienst von Umwelt, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit gestellt haben.

So wie Amir Roughani, der aus Iran nach Deutschland flüchtete und hier heute Technologie für die Energiewende herstellt. Ihn will Lietsch auch nach Grafing einladen, wenn am 26. Oktober der Film "Power To Change" im Capitol Kino gezeigt wird. Im Film ist Roughani einer der Protagonisten. Es geht um die Energiewende und auch darum, wie die Wirtschaft dazu beitragen - und davon profitieren kann.

Wohin mit den Visionen?

Nachhaltiges Unternehmertum und Profitstreben schließen sich laut Lietsch nicht aus. "Immer wenn es heißt Umweltschutz sei zu teuer, sage ich provozierend, mich interessiere nur Kohle", sagt Lietsch, grinst und schiebt hinterher: "Langfristig bringt nachhaltiges Wirtschaften sowieso den größten Profit."

Wenn in den Supermärkten Bio-Regale stünden und das Sonnenlicht für die Stromgewinnung genutzt werde, dann könne er in Rente gehen: Das hat Fritz Lietsch in jungen Jahren gesagt. Und auch wenn dieses Ziel heute - zumindest teilweise - erreicht ist, in den Ruhestand will sich der 59-Jährige noch lange nicht zurückziehen. Vielleicht kann er das auch gar nicht, wohin sollten denn dann die Visionen?

Fritz Lietsch blickt über den Gemeinschaftsacker hinter dem Haus seiner Familie und kratzt sich am Kopf. Die Dummheit der Eliten rege ihn auf, sagt Lietsch. Man könnte das als Arroganz deuten, vielleicht ist es aber auch die notwendige Überzeugung von den eigenen Ideen, die man eben braucht, wenn man umkrempeln will.

EIn Windrad hinter dem Haus

Aus seinem kleinen Branchenbuch ist inzwischen ein größerer Verlag geworden, die Altop Verlags- und Vertriebsgesellschaft. Sie gibt vierteljährlich das Magazin Forum - Nachhaltig Wirtschaften heraus, in dem auch Fritz Lietsch immer wieder Texte schreibt. "Das Magazin wird an alle Bundestagsabgeordneten versendet und an ziemlich viele Unternehmen", erklärt Lietsch das Konzept des Magazins. Erreichen will er diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen.

Lietsch schlendert zum Gemeinschaftsgarten hinter das Haus, hier pflanzen er und andere kiloweise Tomaten, Zucchini und Kürbisse an. Die Gartengeräte teilen sich die Hobby-Gärtner, sie hängen an der Rückwand des Schuppens hinter dem Haus der Familie Lietsch. In der Einfahrt steht ein Elektro-Auto, auf dem Dach Photovoltaik-Anlagen, auch ein kleines Windrad will Lietsch hinter dem Haus aufstellen.

"Weißt du, wie es mit den Zucchini ausschaut?", ruft eine Frau vom Acker herüber. Er geht zu ihr über den Acker, als er zurückkommt hat er ein Prachtexemplar einer Zucchini dabei, die von der Größe her mehr an einen Baseball-Schläger denn an die Zutat für einen Gemüsekuchen erinnert.

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