Grafing:Lang lebe die Akribie

Grafing: Berhard Schäfer ist Grafings Stadtarchivar, er beschäftigt sich mit den Aufzeichnungen von Johann Franz Xaver Wilhelmeder zur Hofmark Eisendorf.

Berhard Schäfer ist Grafings Stadtarchivar, er beschäftigt sich mit den Aufzeichnungen von Johann Franz Xaver Wilhelmeder zur Hofmark Eisendorf.

(Foto: Christian Endt)

Stadtarchivar Schäfer gibt Transkription von "Goldenem Buch" über Grafinger Lokalgeschichte heraus

Von Thorsten Rienth, Grafing

Das Ende ist eine Aufzählung der großen Katastrophen. Die "Schwedischen Kriegsdrangsale" aus dem Jahr 1632. Der Marktbrand von 1766, die Hungersnöte von 1770 und 1772, und natürlich die Pest. Trotzdem steht nun etwas anderes im Mittelpunkt, etwas, das vergleichsweise trocken ist, jedoch, wie Herausgeber und Grafinger Stadtarchivar Bernhard Schäfer sagt "von unschätzbarem historischem Wert": Nämlich die Transkription der Aufzeichnungen von Johann Franz Xaver Wilhelmseder zur Hofmark Eisendorf und des dazugehörigen Gefreiten Hauses Grafing von 1776. Als "Goldenes Buch" sind diese Aufzeichnungen in die Geschichtsschreibung eingegangen.

Zwei Dinge seien es, die Schrift so wertvoll machten, sagt Schäfer. "Einmal die Geschichte des Buches selbst, ein andermal die des Inhaltes." Geradezu akkurat dokumentierte Wilhelmseder auf etwas mehr als 300 Seiten, was er an Dokumenten und Quellen in die Hände bekam. Wappen, Pflichten und Privilegien bis hin zum detaillierten Verzeichnis über die Fruchtbarkeit der Böden. Mit enthalten ist auch das Salbuch der Hofmark, ein Güterverzeichnis über die Besitzverhältnisse, das über Jahrhunderte die wichtigste Wirtschafts- und Rechtsquelle des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lehnswesens war.

Obwohl sich Wilhelmseder in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an die Arbeit machte und die Schrift im Jahr 1776 veröffentlichte, reichen die Inhalte auf der Zeitachse viel weiter zurück ins Mittelalter. "Er stützt sich darin immer wieder auf wesentlich ältere Salbücher und Aufzeichnungen, teilweise sogar aus dem Jahr 1589", sagt Schäfer. Als Beamter in der landesherrischen Verwaltung habe Wilhelmseder problemlos Zugang zu allerlei Archiven erhalten, wo so vieles - braun auf beige - geschrieben ist.

"Es scheint, als hätte er dabei irgendwann sprichwörtlich Blut geleckt und alles aufgezeichnet, worüber er irgendwo Quellen finden konnte." Die Detailtiefe der Aufzeichnungen sei tatsächlich unglaublich, sagt Schäfer - und der Historiker gehört wahrlich nicht zu denen, die vorschnell jubeln.

An der Seriosität Wilhelmseders zweifelt Schäfer dennoch nicht. Natürlich weniger, weil Wilhelmseder seinen Namen im Vorwort für "keine konfuse und unlautere Darstellung" verbirgt. Schäfer sagt: "Der Mann war 32 Jahre lang im Beamtenstand - der hat das mit schier unbeschreiblicher Akribie aufgezeichnet, voll mit Querverweisen, Nachweisen und Beschreibungen."

Schäfer muss es einordnen können. Über Jahre hat er immer wieder mit Wilhelmseders Aufzeichnungen zu tun gehabt. Etwa im vergangenen Jahr bei "Oh, Du mein Gott!", einer Ausstellung über Katastrophen und Unglücksfälle in der Grafinger Umgebung. Oder bei "Hopfen und Malz, Gott erhalt's", Schäfers Ausstellung über die Geschichte der Grafinger Brauereien. Einige Monate verbrachte Schäfer schließlich an der Transkription der händischen Kurrentschrift.

Erhalten geblieben sind all die Informationen ein bisschen auch durch geschichtliche Fügung: Verlieren sich Aufzeichnungen - und damit auch die belastbaren Spuren der Geschehnisse - oftmals im Laufe der Jahrhunderte, lief es beim "Goldenen Buch" anders. Problemlos kann Schäfer die jeweilige Bibliothek aufzählen, auch deshalb, weil die Schritte überschaubar sind: Nach der Veröffentlichung im Jahr 1776 gelangte das Buch in die Bibliothek des Grafinger Gefreiten Hauses. Vor dessen Verkauf im Jahr 1819 sei das Buch wahrscheinlich aus dem Inventar genommen worden, ehe es 1892 in den Bestand des Historischen Vereins Oberbayern übergegangen war. Dort wurde Schäfer drauf aufmerksam. Der Rest ist jetzt ebenfalls schon fast Geschichte.

Die Präsentation des "Goldenen Buches" findet am Samstag, 16. Dezember, um 16 Uhr im Museum der Stadt Grafing statt.

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