Grafing:Kunst mit Spielraum

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Am 14. Juni wird in Grafing der erste Skulpturenweg eröffnet. Sieben Bildhauer zeigen über die Stadt verteilt Arbeiten aus Holz, Eisen und Stein

Von Rita Baedeker, Grafing

Dass die von Johannes Gottwald aus Eichenholz und Eisen geschaffene Skulptur mit ihren Streben, Balken und Gittern, ihren Klettergriffen und Höhlungen Kunst ist, interessiert das kleine Mädchen, das gerade staunend davor steht, nicht im Geringsten. Auch die groß aus dem Holz geschnittenen Worte "Kein Spielplatz" lässt die Kleine kalt. "Mama, kannst du mich da hochheben!", lautet die unmissverständliche Aufforderung. Mama kann! Dass sein Werk die Spiellust weckt und den Widerspruch, ist genau die Wirkung, die sich Gottwald von seinem Beitrag zum ersten Grafinger Skulpturenprojekt erhofft hat. Er ist schließlich kein Spielverderber. Am Sonntag, 14. Juni, wird der Weg eröffnet. Sieben Künstler haben Arbeiten aufgestellt. Etwa eine Stunde dauert der Rundgang.

Die Idee dazu hatte der Bildhauer Franz Wörle. Früher sei er damit bei der Stadt auf taube Ohren gestoßen, sagt er. Kurz nach dem Amtsantritt von Bürgermeisterin Angelika Obermayr, Bündnis 90/Die Grünen, vor einem Jahr habe er diese dann einfach spontan angesprochen. "Wir haben uns zufällig beim Radfahren getroffen, sie war von der Idee angetan", erzählt er. "Ich finde es toll, wenn irgendwo Kunst herumsteht", sagt Obermayr. "Im vorletzten Jahr war ich zum ersten Mal auf der documenta und war begeistert." Für die Leihgebühr, welche die Stadt für das einjährige Projekt an die Künstler bezahlt, brauchte sie keine Mehrheit im Stadtrat. "Über diese Summe kann ich auch so verfügen", sagt Obermayr. Lachend berichtet sie, dass schon Mails eingegangen seien, in denen bedauernd gefragt wurde, warum dieses Klettergerät am Grandauer Hof kein Spielplatz sei.

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Jedes der Werke am Grafinger Skulpturenweg hat eine Geschichte. Die Künstler erzählen sie dem Besucher gerne.

Eine Arbeit von Franz Ferdinand Wörle vor der Stadthalle

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(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Auf dem Rasen hingestreckt, müde vom Hürdenlauf: Die "liegende Athletin" aus Muschelkalk von Fritz Brosig im Stadtpark.

Mit der Idee, eine den Spieltrieb weckende Skulptur aufzubauen, ist der Herrmannsdorfer Holzbildhauer nicht allein; von humorvollen Anspielungen und Geschichten haben sich auch die anderen inspirieren lassen. Da ist etwa der "Wächter der Dinge" aus Keramik und Eisen von Vera Schüller, der mit seinem abstrakten Helm und mit wehrhafter Brust auf einer Wiese die Schätze des Grafinger Heimatmuseums bewachen soll.

Einen humorvollen Bezug zur Stadt - und dem eigenen Befinden - hat auch der Moosacher Steinbildhauer Hubert Maier für seine granitene Wirbelsäulen-Stele mit dem Titel "Ich hab Kreuzweh" gefunden. Es ist kein Zufall, dass die Plastik vor der Orthopädiepraxis in der Kellerstraße steht. "Wir Bildhauer landen oft beim Orthopäden", sagt Maier. Die steinerne Wirbelsäule ist mit dem Boden verschraubt, in den der menschlichen Anatomie nachempfundenen Wirbelkanälen stecken Stahlstifte. "Diese Skulptur hat den operativen Eingriff schon hinter sich", sagt Vera Schüller mit einem fröhlichen Lachen beim gemeinsamen Rundgang.

Eine Erzählung anderer Art steckt in der stählernen Stele "Geben" des Kunstschmiedemeisters und Geschäftsführers der Bergmeister Leuchten AG, Hans Lohmair, im Stadtpark. Von dem Rohr, das an einen Stapel Münzen erinnert, scheint eine gerade herunterzurollen. "Ein Geldstück, das ich weggeben will", erklärt der Künstler seine Arbeit. Sein Leitsatz lautet: "Den Reichtum des Lebens teilen, und das nicht alleine im materiellen Sinne."

Vom Reichtum der Kräfte kündet ein paar Meter entfernt in der Wiese die "Liegende Athletin" von Fritz Brosig. Die Reifenspuren des Lastwagens, der die gewichtige Dame herangeschafft hat, sind noch im Gras zu sehen. Die Figur aus Muschelkalk, Knie angezogen, Arme hinter dem Kopf, ist vor 55 Jahren entstanden. Brosig hatte die Plastik als Beitrag zu einem Wettbewerb anlässlich der Olympischen Spiele 1960 eingereicht und den 1. Preis gewonnen. "Wenn sie länger hier liegt, wird sie wohl zuwachsen und in die Landschaft übergehen", sagt Brosig. Nagelneu ist dagegen das eiserne "Tor" von Franz Wörle, das vor der Stadthalle steht. Wie in anderen Arbeiten auch, geht es ihm darum, eine Durchgangssituation auch im philosophischen Sinn darzustellen.

Eine Arbeit von Vera Schüller, zu finden neben dem Heimatmuseum. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Eine Metamorphose hat jener tonnenschwere Baumstamm erfahren, den Ingrid Wieser-Kil bemalt hat. Der Stamm, so erzählt sie, gehörte zu einer Gruppe aus Linden und Kastanien. 1906 hat ein Knecht des Egglhofes, auf dem sie aufgewachsen ist, die Bäume gepflanzt. Die Bäume standen unter Naturschutz. Dann aber gingen sie ein und wurden gefällt. "Ich wollte etwas aus dem Baum machen, ich habe so viel mit ihm erlebt." In ihrer Malerei stecken nun Erinnerungen an die Kindheit - und an einen Spielplatz, wie man sich ihn schöner nicht wünschen kann.

Am Sonntag, 14. Juni, 11 Uhr, wird der Skulpturenweg am Stadtpark Grafing von 1. Bürgermeisterin Angelika Obermayr eröffnet. Die Drumline des Grafinger Jugendorchesters begleitet die Vernissage. Anschließend findet ein Rundgang statt.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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