Grafing:Kunst als Heilmittel

Augustinum Landschulheim Elkofen

Eine Nashorn-Skulptur bewacht das Landschulheim.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Am Landschulheim in Elkofen soll ein weiteres therapeutisches Angebot entstehen. Für das nötige Geld geben Nils Mönkemeyer und William Youn ein Benefizkonzert.

Von Antonia Heil, Grafing

"Normalerweise kann der Junge keine drei Sekunden lang still sitzen. Aber als er diese Skulptur gemacht hat, saß er auf einmal zwei Stunden am Stück da und hat konzentriert gearbeitet!" Als Kunstlehrerin Nina Kohmann das erzählt und dabei stolz das melancholisch dreinblickende Tongesicht herumzeigt, stehen ihr die Tränen in den Augen.

Schon beim Betreten des Gebäudes wird klar: Das Landschulheim Elkofen ist ein Ort zum Wohlfühlen. Doch noch viel mehr, wie Kohmanns emotionale Reaktion zeigt. In den hellen, freundlichen Zimmern wird nicht nur unterrichtet. Hier lebt eine Gemeinschaft im familiären Sinn. Vor einiger Zeit erzählte Kohmann in ihrem Bekanntenkreis, dass sie plane, eine Arbeitsgemeinschaft mit kunsttherapeutischen Maßnahmen einzurichten und dass dafür nur noch das Geld fehle.

Daraufhin geschah das Unglaubliche: "Meine Freunde Nils Mönkemeyer und William Youn haben sofort gesagt: ,Da helfen wir euch, wir geben ein Benefizkonzert!' Und jetzt stehen sie am Montag, 26. September, für das Landschulheim auf der Bühne." Der berühmte Bratschist und der Pianist veranstalten ein Spendenkonzert, mit dessen Einnahmen das Material dafür finanziert werden soll.

Augustinum Landschulheim Elkofen

Nina Kohmann (links) und Gudrun Tischner-Remington mit einer Maske aus einem kunsttherapeutischen Projekt. Für diese Projekte wird bei einem Benefizkonzert Geld gesammelt.

(Foto: Photographie Peter Hinz-Rosin)

Ein Park als Schutz

Werke von Mozart, Schubert und Brahms werden im Theatersaal des Augustinums erklingen - zugunsten der 65 Schüler, die nicht zurechtkämen ohne die Unterstützung durch die Lehrer, Erzieher und Therapeuten in Elkhofen. Die Schule ist eine von vier Schulen des Augustinums, einer Einrichtung, die sich seit 1954 um "Menschen in besonderen Lebenssituationen" kümmert, wie es auf der Homepage heißt.

Ein riesiger grüner Park umschließt das Landschulheim. Wie ein schützender Mantel legt er sich um das Gebäude. Die Kinder und Jugendlichen, die hier zur Schule gehen, brauchen diesen Schutz. Denn sie leiden allesamt unter emotionalen oder sozialen Entwicklungsstörungen, die sie daran hindern, gute schulische Leistungen zu erbringen und ihre Kreativität zu entfalten.

Wenn sie mit dem Alltag in Regelschulen und in der Familie nicht klarkommen, finden sie hier einen Unterschlupf, wo sie, von der Außenwelt in Ruhe gelassen, die Fertigkeiten erlernen können, die ihnen fehlen. "Wir haben hier viele Kinder mit ADHS", erklärt Schulleiterin Gudrun Tischner-Remington, "aber es sind auch ganz andere Verhaltens- und Sozialstörungen dabei. Die Kinder kommen meist nicht mit dem Unterricht in Regelschulen zurecht." Gerade als sie das sagt, dringen aus dem Flur laut streitende Kinderstimmen in den Raum.

Verhinderung von Mobbing

Die Direktorin verlässt das Büro, dann hört man sie draußen ein paar klare, ruhige Sätze sagen. Sofort kehrt Ruhe ein. "Wenn sich zwei Schüler streiten, greifen wir sofort ein und schlichten. Wir klären die Situation, und im schlimmsten Fall vereinbaren wir eine Wiedergutmachung. Da muss dann der eine dem anderen ein Eis spendieren oder einen Kuchen backen", erklärt sie, als sie wieder Platz genommen hat. Kunstlehrerin Kohmann ergänzt: "Es ist sehr wichtig, dass wir da wirklich gleich eingreifen. Ganz viele Schüler von uns sind vorher in ihren Schulen gemobbt worden und deswegen bei solchen Themen besonders empfindlich. So etwas müssen wir unbedingt verhindern."

Harmonie wird im Landschulheim Elkofen groß geschrieben. Und das ist keine Floskel, sondern das kann man wie aus der Pistole geschossen aus den Mündern der Schüler hören, wenn man sie fragt, warum sie sich in Elkofen so wohlfühlen: "Dieses Zusammengehörigkeitsgefühl hier, das macht es aus." Neben dem Schulstoff lernen sie auch, einander Respekt für besondere Fertigkeiten zu zollen.

Gerade kommt eine Schülergruppe vorbei, einer der Schüler geht mit einer kleinen Drohne in der Hand voraus. "Sehen Sie, das ist die achte Klasse. Die will ihr Türschild neu gestalten, und der Junge mit der Drohne kann besonders gut Fotos machen und Videos drehen", sagt Tischner-Remington. Die Jugendlichen schießen mit der Drohne ihr Klassenfoto und haben dabei viel Spaß.

Der Unterricht sieht hier anders aus

Der Unterricht sieht in Elkofen ganz anders aus als an gewöhnlichen Realschulen: Maximal zwölf Schüler gibt es hier in einer Klasse. So seien einerseits die Kinder nicht ständiger Reizüberflutung ausgesetzt und andererseits könnten die Lehrer und Sozialpädagogen viel besser auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schützlinge eingehen, sagt Tischner-Remington.

Waren vormittags noch vor allem die Lehrer zuständig, kümmern sich nachmittags die Pädagogen und Therapeuten des Internat-Teams um die Kinder und Jugendlichen. 18 Schülerinnen und Schüler können in der heilpädagogischen Tagesstätte ihre Hausaufgaben erledigen, bis ihre Eltern sie am Abend abholen, die anderen werden im Internat betreut. Dort leben sie in Wohngemeinschaften zu neunt zusammen, oft im Doppelzimmer und altersmäßig bunt durchgemischt.

Der Aufenthaltsraum ist liebevoll eingerichtet. Plüschsofas und ein Wandtattoo verbreiten heimelige Atmosphäre. Neben den Zimmertüren hängen Fotos der Bewohner. "Natürlich achten wir darauf, dass die Wohngemeinschaften gut zusammenpassen", erklärt Tischner-Remington. Toll sei es zu beobachten, wie die Größeren sich um die Kleinen kümmern. "Sie übernehmen Verantwortung und bekommen dafür Respekt und Anerkennung zurück." Da entstehe echter familiärer Zusammenhalt.

Entlastung der Eltern

Jedes Wochenende fahren die Internatsschüler nach Hause zu ihren Familien. Das Einzugsgebiet ist ganz Bayern, weil das Konzept aus staatlich zugelassener Realschule in Kombination mit pädagogisch-therapeutischem Zusatzprogramm im Freistaat einzigartig ist. Viele Familien wohnen aber dennoch nicht allzu weit entfernt. Genau das ist Tischner-Remington besonders wichtig.

"Denn die Eltern sind mit psychisch kranken Kindern oft komplett überfordert. Auch sie müssen den Umgang erst lernen." Deswegen gehören auch die Eltern zur großen Schulfamilie in Elkofen. "Nur Schüler, Erzieher, Pädagogen, Lehrer und Eltern gemeinsam können dafür sorgen, dass die Jugendlichen gewappnet sind fürs Leben, wenn sie mit der Mittleren Reife in der Tasche unsere Schule verlassen."

Wenn alle Hausaufgaben erledigt sind, können die Schüler verschiedene Freizeitangebote nutzen. In Selbstverteidigungskursen Körperbeherrschung lernen, in der Bibliothek lesen, im Park spielen - das Angebot ist groß und soll nun mit dem kunsttherapeutischen Angebot weiter wachsen.

Zur Förderung des kunsttherapeutischen Angebots am Elkofener Internat geben der Bratschist Nils Mönkemeyer und William Youn am Klavier ein Benefizkonzert. Am Montag, 26. September, 19 Uhr (Einlass ab 18.30 Uhr), spielen sie in München im Theatersaal des Augustinums, Stiftsbogen 74, Werke von Mozart, Schubert und Brahms. Die Tickets kosten 25 Euro und sind an der Abendkasse sowie im Vorverkauf unter www.muenchenticket.de erhältlich.

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