Grafing:Konkurrenz ums Revier

Grafing: Mehr als eine Trophäenpräsentation: Die Hegeschauen sollen helfen, die Erfüllung der Abschusspläne zu überwachen.

Mehr als eine Trophäenpräsentation: Die Hegeschauen sollen helfen, die Erfüllung der Abschusspläne zu überwachen.

(Foto: Christian Endt)

Die Lebensräume des Wildes werden im Münchner Umland immer mehr zerschnitten und verkleinert. Auch für die Jäger ist das eine Herausforderung - aber bei weitem nicht die einzige

Von Rita Baedeker, Grafing

Paragraf eins des Bundesjagdgesetzes liegt Martin Otter, dem ersten Vorsitzenden der Kreisjäger Ebersberg, besonders am Herzen: "Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen. . . " heißt es da. Diesen Grundsatz waidmännischen Selbstverständnisses, in dem naturgemäß auch mancher Konfliktstoff steckt, betonte er jüngst auch anlässlich der Hegeschau in der Grafinger Stadthalle.

Die öffentlichen Hegeschauen sind mehr als eine Zurschaustellung von Trophäen. Sie werden von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit der Forstbehörde veranstaltet, um die Erfüllung der Abschusspläne zu überwachen und die Zahlen zu dokumentieren. Als "Zielkontrolle", wie Otter erklärt. Die Gehörne dienen dabei als Stichproben. Man kann an ihnen allerhand über den Zustand des Wildes ablesen - über Alter, Stärke und Krankheiten.

Den Jägern wird ihr Waidwerk indes nicht immer leicht gemacht. Wälder sollen gesund erhalten werden. Dass es dazu aber notwendig ist, eine festgelegte Anzahl Wild zu schießen, leuchtet nicht allen ohne weiteres ein. Nicht nur bei denen, die den Wald als Freizeitziel und Naherholungsgebiet nutzen, auch unter den Waldbesitzern gibt es verschiedene Auffassungen darüber, wie ein Wald beschaffen sein soll. Es ist das erklärte Ziel, den Umbau des Forstes zu einem Mischwald bevorzugt mit Buchen und Douglasien voranzutreiben. Für den aus Nordamerika stammenden Baum sprechen laut Forst- und Landwirtschaftsminister Helmut Brunner seine Hitze- und Trockenheitstoleranz, seine Stabilität bei Stürmen, seine hohen Wuchsleistungen und sein wertvolles Holz.

Bei diesem Vorhaben ist auch die Jägerschaft gefragt, die verhindern soll, dass das Wild zu viele der jungen Baumtriebe abfrisst. "Wald vor Wild" lautet auch die Devise des Amtes für Landwirtschaft in Ebersberg, wie Friedrich Nebl bei der Veranstaltung erklärte. Otter, der die Zusammenarbeit mit den Behörden als "respektvoll" bezeichnet, hat allerdings etwas dagegen, dass Jäger als "Schädlingsbekämpfer" angesehen werden.

Ein stets wiederkehrendes Thema bei den Hegeschauen ebenso wie im Alltag der Jäger und Landwirte sind Tierseuchen wie die Schweinepest, die seit einiger Zeit von Nordosten kommend auf dem Vormarsch ist. Weil laut einer Mitteilung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft das Virus von Wild- auf Hausschweine und umgekehrt übertragbar ist, kann ein Seuchenausbruch verheerende wirtschaftliche Folgen für die Landwirtschaft haben. Zudem würde die Jagd über lange Zeit erheblich beeinträchtigt. Eine wichtige Empfehlung in diesem Zusammenhang lautet, keine Speise- oder Schlachtabfälle für Lockfütterungen zu verwenden und auf eine sichere Abfallbeseitigung in den Revieren zu achten. Auch ein Monitoring bei der Entnahme der Blutproben ist laut Otter von großer Bedeutung.

Während im Ebersberger Forst bisher noch kein Fall von Schweinepest festgestellt wurde, sei die "Aujeszkysche Krankheit" bereits da. "Diese Viruserkrankung ist gefährlich für Jagdhunde", berichtet Otter. "Wenn sich ein Hund infiziert, ist das tödlich, die Tiere sterben wenige Tage nach der Ansteckung." Eine Herausforderung für die Zukunft, so Otter, ist auch die stadtnahe Jagd. Der Landkreis Ebersberg ist derjenige in Deutschland mit dem stärksten Bevölkerungswachstum. Dies bedeute, dass die Lebensräume des Wildes immer mehr zerschnitten würden. Gerade das Schwarzwild, aber auch andere Wildtiere wie etwa Füchse rückten näher an die Siedlungen heran. Wildunfälle nähmen dadurch zu. Hinzu komme, dass ein Teil der Bewohner immer weniger über die Abläufe in der Natur Bescheid wüsste.

Einer, der sich in der Natur hervorragend auskennt, wurde bei der Hegeschau mit der silbernen Medaille "Naturerbe Bayern" ausgezeichnet: Manfred Depree aus Glonn. Der 81-jährige gehört den Film- und Videofreunden Ebersberg an, ist leidenschaftlicher Jäger und dreht seit fünfzig Jahren faszinierende Naturfilme, etwa "Jagd mit der Kamera" und "Des Meisterfischers Wohnungsnot", in dem der Eisvogel die Hauptrolle spielt. Zweimal im Jahr zeigt er die Trophäen seiner Kamerajagd bei den Veranstaltungen der Filmfreunde in Oberndorf. Auch der BR hat Beiträge von ihm gesendet.

Um die Tiere vor die Kamera zu bekommen, braucht Depree Geduld und Erfahrung. "An Stellen, wo das Wild sich aufhält, sitze ich in einem Tarnzelt mit Objektiv und Sehschlitz oder filme von einer Jagdkanzel aus, wo ich vor Wind und Wetter geschützt bin", berichtet er. Stundenlang muss er ausharren, "aber als Jäger bin ich das gewohnt." Sein Revier ist in der Nähe von Oberpframmern, dort hat er ein Jagdbegehungsrecht. Wenn möglich, geht Depree mit Kamera und Gewehr auf die Pirsch. Sein aktuelles Projekt ist ein Weiher, bei dem sich jüngst eine kleine Katastrophe ereignet hat. "Während der langen Kälteperiode sind dort unter dem Eis die Fische wegen Sauerstoffmangels verendet. Er hat das alles mit der Kamera dokumentiert; jetzt brütet dort ein Entenpaar. "Es gibt Erdkröten, Libellen, der Weiher ist spannend, das ganze Jahr über." Wo sich der befindet? "Das verrate ich nicht", sagt Depree. Naturschützer sind Leute, die ein Geheimnis für sich behalten können.

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