Grafing:Kleine Gesten, große Wirkung

theater Gymnasium Grafing

Das Publikum als Spiegel: Die Grafinger Theatergruppe braucht nicht viele Requisiten.

(Foto: Hinz-Rosin)

Theatergruppe des Gymnasiums Grafing spielt "Heiligeisdorf"

Von Daniela Weichselgartner, Grafing

Die Melodie von "Guten Abend, gute Nacht" hallt über die Köpfe der etwa hundert Theatergäste. Doch in einer solchen Szenerie, inmitten eines Walds aus menschlichen Bäumen, würde der Wiegenliedklassiker sicher kein Kind geruhsam in den Schlaf geleiten. Im Gegenteil, die Melodie, die hier mehrmals anklingt, trägt durch das einsame Pfeifen maßgeblich zur bedrohlich wirkenden Atmosphäre des Stücks bei. Gespielt wird der Krimi "Heiligeisdorf", und zwar von der Theatergruppe des Grafinger Gymnasiums.

Eingeleitet wird die Inszenierung von einem eindringlichen Vortrag des "Prologs im Himmel" aus Goethes "Faust". Während eine Stimme aus dem Off Verse wie "Und Stürme brausen um die Wette/ Vom Land aufs Meer, vom Meer aufs Land" rezitiert, ist die Bühne von Schülern in weißen Oberteilen und grünen Gummihandschuhen bevölkert, deren Wispern und Murmeln einer Frau große Angst einjagen. Sie ist auf der Suche nach ihrem verschwundenen Bruder. Durch die bedrohliche Natur gelangt sie mit ihrem übergroßen Koffer nach Heiligeisdorf, wo sie jedoch kein bisschen wärmer empfangen wird.

Kurze Szenen aus dem Alltag der Dorfgemeinschaft lassen erahnen, dass das Schicksal des gesuchten Bruders zwar bekannt ist, die Einheimischen es aber vermeiden, darüber nur ein einziges Wort zu verlieren. Den Zwang zum Schweigen, welcher die Bewohner vom Pfarrer über die Eheleute bis hin zu den Kindern durchdringt, arbeitet die Theatergruppe mit einer feinsinnigen Spielweise heraus. Es wird wenig gesprochen und auch die kargen Gespräche verdeutlichen die Unfähigkeit zur Kommunikation, welche das Dorf beherrscht. "Diesmal lag der Fokus auf Mimik und Charakterarbeit," betont die betreuende Lehrkraft Caroline Reh.

Die zum Großteil erfahrenen Theaterspieler aus den Jahrgangsstufen acht bis zwölf meistern diese Aufgabe in lobenswerter Weise. Vor allem die kleinen Gesten zeigen große Wirkung, ob das nun die zitternde Hand der aufgelösten Ehefrau oder die kindliche Faszination angesichts eines gepeinigten Maulwurfs sind. Auch die Scheinheiligkeit wird in vielen Szenen gut herausgearbeitet. Die Gottesfürchtigkeit etwa, welche im Namen des Ortes anklingt, stellt sich als bloße Fassade heraus, wenn die in der Kirche versammelten Dorfbewohner mehr auf ihre persönlichen Probleme fokussiert sind als auf die Predigt. Vor allem aber auch die Verzweiflung und Resignation der Hauptfigur, der in Heiligeisdorf Kälte und Ablehnung entgegenschlagen, werden dem Zuschauer eindringlich vor Augen geführt. Dem widerspricht nicht, dass der allzeit betrunkene Familienvater oder so manches Wortspiel für auflockernde Lacher sorgen. Das Bühnenbild folgt der reduzierten Gestaltung der Sprechsituationen: einfarbige Stoffe als Hintergrund, dazu nur die allernötigsten Requisiten.

Nach einer knappen Stunde mit den Bewohnern von Heiligeisdorf geht man mit Mitgefühl für die Frau, die ihren Bruder verloren hat, und der sanften Melodie von "Guten Abend, gute Nacht" im Kopf nach einem gelungenem Theaterabend nach Hause.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: