Ausstellung zu Flüchtlingen:Ironie, die verstehen hilft

Ausstellung zu Flüchtlingen: Grafings evangelischer Pfarrer Axel Kajnath und der Anästhesist Hajo Schneck bei der Ausstellungseröffnung in der Auferstehungskirche.

Grafings evangelischer Pfarrer Axel Kajnath und der Anästhesist Hajo Schneck bei der Ausstellungseröffnung in der Auferstehungskirche.

(Foto: Christian Endt, Fotografie & Lic)

Die Ausstellung "Alle in einem Boot" in Grafing veranschaulicht in Karikaturen die Fluchtursachen in Afrika.

Von Anna Weininger, Grafing

Zwei fettleibige Touristen liegen nackt am Strand auf ihren Liegen, in der einen Hand ein gekühlter Drink, in der anderen jeweils ein gierig angebissener Schokokuss. Auf dem Tisch warten noch mehr Schokoküsse darauf, verspeist zu werden. Doch die Touristen starren angsterfüllt in Richtung Strand, an den ein rundes Schlauchboot mit Schwarzafrikanern angespült wird. Die makabere Zeichnung "Schlemmer-Urlaub auf Lampedusa" von Rainer Ehrt ist eine von 70 Karikaturen der Ausstellung "Alle in einem Boot", die derzeit in Grafing an verschiedenen Orten zu sehen ist: in der Auferstehungskirche, im Gymnasium und in der Stadtbücherei.

28 Karikaturisten aus Deutschland, Österreich, Holland und dem Senegal haben für die Wanderausstellung der Erzdiözese Bamberg und dem Hilfswerk Missio ihr Statement zum Verhältnis zwischen Europa und Afrika schonungslos zu Papier gebracht. Humorvoll und zugleich auf brutale Weise ernst werden Themen wie die Flüchtlingskrise, die Rohstoffausbeutung, Hungersnot, Entwicklungshilfe und das Verhalten europäischer Touristen auf dem afrikanischen Kontinent skizziert. Ein ganz besonderer Fokus liegt dabei auf dem Land Senegal. Die Ausstellung, die bis zum 27. Januar in Grafing besucht werden kann, wurde am Freitag in der Auferstehungskirche mit der senegalesischen Trommelgruppe "Bock Guis Guis" aus München und einer Begrüßungsrede von Pfarrer Axel Kajnath und Christian Mazenik von Missio in München eröffnet.

"Bock Guis Guis" heißt soviel wie Meinungsfreiheit. Und darum geht es unter anderem in den Liedern der Gruppe. Cheikhouna Fall, ein in Grafing lebender Asylbewerber, hat die Musiker für die Ausstellungseröffnung organisiert. In ihrer Muttersprache Wolof besingen "Bock Guis Guis" unter anderem die Freiheit für den Senegal und tanzen zwischendurch dazu. Die Gruppe aus Asylbewerbern hat sich vor zwei Jahren in Deutschland gegründet.

Mamadou, einer der Mitglieder, besucht mittlerweile die Schlau-Schule für junge Geflüchtete in München. Er möchte in Deutschland irgendwann eine Ausbildung zum Elektriker machen. Seine Musikerkollegen haben zum Teil schon einen Ausbildungsplatz. Für viele andere Senegalesen, die in Bayern Asyl beantragt haben, ist das ein Traum, der momentan unerreichbar scheint. Die bayerische Staatsregierung hat 2015 gegen Asylbewerber aus dem Senegal ein Arbeitsverbot verhängt, da der Senegal als sicheres Herkunftsland eingestuft wurde.

Doch warum flüchten junge Leute aus Ländern wie dem Senegal? Die Karikaturen, die im Kirchenraum hängen, geben Antworten darauf. Auch Hajo Schneck, der als Anästhesist für die internationale Ärzteorganisation Interplast arbeitet und dafür sehr oft nach Afrika reiste, gibt als Gastredner auf der Vernissage Auskünfte zu dieser Frage: In schwarzafrikanischen Ländern wie dem Senegal habe sich die Bevölkerungsdichte im letzten Jahrhundert enorm erhöht, während die Ressourcen gleich blieben.

Diese Ressourcen wurden früher von Kolonialmächten ausgebeutet, so Schneck, heute bedienen sich westliche Industrieländer an Ländereien und Rohstoffen. Hedgefonds kaufen gezielt Ländereien in Afrika zu billigsten Preisen auf und schaffen damit die Grundlage für ein modernes Ausbeutungsschema. Das alles habe über Jahrzehnte zu Armut geführt, erklärt der Arzt. Die Folge: massenhafte Flucht vor Perspektivlosigkeit, Arbeitslosigkeit und Armut. "Es ist kein Wunder, dass die Leute, denen man alles genommen hat (. . . ) nun nach Europa kommen, um sich wieder etwas zurückzunehmen", kommentiert er.

Ein weiteres Desaster sei die medizinische Grundversorgung in vielen schwarzafrikanischen Ländern. In Sierra Leone liege die Ärztedichte bei 2 : 100 000, eine erschreckende Zahl, wenn man bedenkt, dass in Deutschland "fast jeder 370ste Einwohner" Arzt ist. "Es gibt in Sierra Leone kaum Ärzte außerhalb der Hauptstadt", betont Schneck "das wäre so, als müsse man nach Berlin fahren, wenn man krank ist." In seiner Rede klagt Schneck Europa als Hauptverursacher der prekären Situation in Afrika an. Er findet deutliche Worte in Hinblick auf die Zukunft des schwarzen Kontinents: "Ich glaube nicht, dass wir in Afrika mit viel Hilfe und Geld etwas zurückdrehen können, was über Jahrzehnte versäumt wurde."

Die von Schneck geschilderten Probleme werden in den Karikaturen der Ausstellung trotz aller Tragik auf eine eindrucksvolle Art optimistisch und humorvoll in Szene gesetzt. Mit viel Witz und Ironie. Ironie, die hilft, die schwierigen Situationen zu verstehen.

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