Grafing:Immer dieser Verkehr

Bürgerversammlung Grafing Stadt

Wer im Herzen gegen etwas ist, von Amts wegen aber dafür sein muss, hat es schwer. So ist es wohl Grafings Bürgermeisterin Angelika Obermayr bei der Bürgerversammlung ergangen, schließlich musste sie die Ostumfahrung und die damit einhergehenden Folgen rechtfertigen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die erste Bürgerversammlung nach der Eröffnung der Ostumfahrung offenbart bei den Grafingern noch einige Unstimmigkeiten

Von Thorsten Rienth, Grafing

Die Bürgermeisterin muss geahnt haben, dass die Aussprache auf direktem Weg zur neuen Ostumfahrung führen würde. Deshalb schrieb Angelika Obermayr (Grüne) ins Vorwort des bürgermeisterlichen Berichts: Neue Ampeln an der Parkplatz-Ostseite? Eine andere Vorfahrt am Hafenmair-Eck? "Ich verstehe, dass Sie diesem Veränderungsprozess skeptisch oder ablehnend gegenüber stehen." Allein: Für die Verkehrsführung interessierten sich die Grafinger ziemlich wenig. Stattdessen hat es erneut Klagen über Lärm entlang der Trasse gegeben. Und in der Wasserburger Straße sorgen sich die Anwohner um eine mögliche Kostenbeteiligung am Rückbau der Straße.

Mit der Stadthallen-Aussprache am Dienstagabend kam also ein Aspekt mit in die Diskussion, der bislang bestenfalls eine kleine Fußnote war. Nämlich, dass mit der Wasserburger Straße diejenigen Grafinger mit der größten prognostizierten Verkehrsentlastung, eben diese nicht gänzlich umsonst bekommen. Er würde gerne endlich Klarheit erhalten, schimpfte ein Anwohner, was da auf ihn und seine Nachbarn finanziell zukomme. Erschließungsbeiträge lautet dabei das zentrale Stichwort. "Davor haben wir hier alle Angst." Konkrete Zahlen dazu konnte die Verwaltung allerdings nicht liefern - weil die Rückbaupläne noch nicht konkret genug sind.

Ohne genaue Antwort blieb am Dienstagabend auch, inwieweit sich die Stadt an einem aktuellen Lärmgutachten beteiligen würde. Ein solches brachten Trassenanwohner in der Versammlung ins Gespräch. Das würde die gesamte Debatte doch sehr versachlichen, argumentierte einer von ihnen. "Aber so, wie es jetzt ausschaut, ist es bei uns da oben kaum mehr auszuhalten."

Bürgermeisterin Angelika Obermayr sitzt bei dem Thema in der politischen Zwickmühle: Als frühere Grünen-Fraktionschefin gehörte sie mit zur Spitze der Grafinger Umfahrungsgegner. Danach zur Bürgermeisterin gewählt hat sie nun einen Bürgerentscheid pro Umfahrung umzusetzen - und mit für die negativen Auswirkungen der im September eröffneten Trasse einzustehen.

"Man kann von der Straße halten, was man will", versuchte Obermayr einen Mittelweg einzuschlagen. "Es gibt Abschnitte, an denen es lauter ist als vorher. Es gibt Gewinner und leider auch Verlierer." Andererseits dürfe man die positiven Effekte der Umfahrung nicht einfach so ausblenden. "Es ist einfach so: In der Innenstadt ist spürbar weniger Verkehr unterwegs."

Gut möglich sogar, dass sich eine Kehrseite der Trasse weniger schlimm als befürchtet herausstelle. "Die Verkehrsplaner waren zum Beispiel der Meinung, dass die Belastung in der Rotter Straße doppelt so hoch wird", sagte Obermayr. "Ich habe keine Ahnung, wo diese Autos hin sind, aber in der Rotter Straße sind sie jedenfalls nicht."

Das werde sich aber zeitnah klären. Eine große Grafinger Verkehrszählung sei geplant und vom Stadtrat bereits beschlossen. Diese werde die im Planfeststellungsverfahren erstellten Prognosen auf deren tatsächliche Übereinstimmung mit der Praxis hin untersuchen, erläuterte Obermayr. "Wenn diese Ergebnisse vorliegen, werden wir ein ordentliches Stück schlauer sein." Dann könnten auch die Diskussionen über zusätzliche Ampeln oder geänderte Vorfahrtsregelungen starten - und zwar auf verlässlicher Datenbasis.

Einzige Ausnahme vom bisherigen Plan ist die Zeitachse: Die Verkehrszählung beginnt noch nicht im Herbst. "Wir werden erst im März damit beginnen", kündigte die Bürgermeisterin an. "Es hat sich herausgestellt, dass es wohl doch etwas länger braucht, bis die Straße in allen Navigationsgeräten hinterlegt ist." Zugunsten realistischerer Zahlen wolle man daher noch abwarten. Nun plant Grafing den Start für den Monat März. "Außerdem hat das den Vorteil, dass wahrscheinlich schon mehr Radfahrer und Fußgänger unterwegs sind." Sie gehörten schließlich genauso zum Grafinger Verkehrsmix.

Einmal mehr warb Obermayr dafür, mit dem Auto nicht bis auf den Marktplatz zu fahren. "Wir haben Auffangparkplätze in der Gartenstraße, in der Lagerhausstraßen-Tiefgarage und hinter der Rotter Straße 8 - und bald eröffnen wir 48 Tiefgaragenplätze gleich daneben." Die triftigen Gründe, warum man mit dem Auto unbedingt direkt auf den Marktplatz fahren müsste, würden also immer weniger.

Kleine Randnotiz vom Ende der Bürgerversammlung: Er sei zwar von der neuen Straße nicht betroffen, sagte ein Grafinger beim Weg aus der Stadthalle. Ihm falle aber auf, dass diejenigen, die vor ein paar Jahren am lautesten nach der Straße riefen, beim Lärmschutz nun die leisesten seien.

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