Missa in Blue:Gehaltvoller Appetizer

Peter Wittrichs "Missa in Blue" erklingt

Von Anja Blum, Grafing

Es ist, als könnten es sowohl die Verantwortlichen als auch die Zuhörer kaum erwarten: Bereits ein paar Stunden vor der offiziellen Eröffnung des Festivals EBE-JAZZ am Sonntagabend in der Grafinger Stadthalle ist ein paar hundert Meter weiter die evangelische Kirche bestens gefüllt, als dort die "Missa in Blue" von Peter Wittrich erklingt. Und das, obwohl eine wunderbare Herbstsonne penetrant ihr Strahlen in das Gotteshaus schickt. Ein gutes Zeichen: So viel Jazz gibt es im Landkreis, und so viel Interesse daran, dass wohl kaum eine Stunde des Festivals ungenutzt verstreichen wird.

Für das Appetizer-Konzert unter dem Motto "Jazz Goes To Church" hat sich ein so buntes wie engagiertes Team aus erfahrenen Instrumentalisten und jungen Sängern zusammengefunden: Es musizieren ein Xtett um Komponist Peter Wittrich, zwei Lehrer der Ebersberger Musikschule sowie deren Jugendchor Choir's Crossing, unterstützt von ein paar wenigen Männerstimmen. Die Idee, die "Missa in Blue" im Rahmen des Festivals aufzuführen, kam von Chorleiter Martin Danes - er selbst hatte 2014 bei der Uraufführung vor drei Jahren in München einen Gesangssolopart übernommen. In Grafing aber muss er diesen abgeben, hier ist Danes als Dirigent und Bassist gefragt. Er und Wittrich am Akkordeon halten denn auch die ganze Aufführung zusammen wie zwei im Gleichtakt schlagende Herzen.

Worum es in Wittrichs Schaffen geht, machen schon die ersten paar Takte, noch ohne Sänger, klar: um ein Musizieren ohne Schranken. Dazu legt der Freisinger Professor ein Kirchenlied aus dem 17. Jahrhundert zugrunde und verjazzt es im Stile eines Gershwins, versetzt es mit spritzigen Bläsersätzen, groovendem Akkordeon und luzidem Vibrafon. Heraus kommt eine wahrlich überraschende, moderne Kirchenmusik, die einfach gute Laune macht. Desgleichen geschieht mit Händels "Concerto grosso", dessen feine, barocke Tonsprache Wittrich erst durch die außergewöhnliche Besetzung variiert und dann derart Richtung Blues, Tango und Co. verfremdet, dass es eine Freude ist. Selbst ein Passionslied wie "Oh Mensch, bewein dein Sünde groß" ist alles andere als zum Heulen, so cool, so swingend kommt es daher, und auch "Du rufst uns, Herr, an deinen Tisch" gerät zu bester Barmusik. Fehlen nur noch Schummerlicht und Drinks. Dank ausgezeichneter Musiker - Reinhard Greiner (Trompete), Max Penger (Klarinette und Saxofon), Erwin Gredd (Posaune), Cristóbal Gajardo (Percussion), Danes und Wittrich selbst (Akkordeon) - und der klugen Arrangements klingt die Band dabei wie ein kleines Orchester, so breit ist das Klangspektrum, das sie abdeckt.

Und dann kommen bei der Missa ja noch die souveräne Pianistin Martina Hussmann sowie der etwa 30-köpfige Chor hinzu! Ein bestens ausgebildetes Ensemble frischer Stimmen, zu allem bereit - und auch fähig, möchte man nach dieser fabelhaften Aufführung sagen. Choir's Crossing hat jedenfalls mit der modernen Tonsprache und vor allem mit der teils durchaus komplizierten Rhythmik dieses Werks - das gekonnt zwischen Klassik, Jazz und Gospel changiert - keinerlei merkliche Probleme, sondern nimmt alle Hürden mit wohlklingender Bravour. Auch die jungen Solisten überzeugen: Die Sopranistin Veronika Althaus betont mit ihrer klassisch-schlanken Stimme die jazzinspirierten Linien gestaltend den Crossover-Charakter der Missa, Bariton Maximilian Höcherl hält im innigen Duett mit gefühlvollem Schmelz dagegen. Ein wenig schade nur, dass im Zusammenspiel die Band den Chor teils übertönt und so die chorischen Feinheiten akustisch ein wenig untergehen. Die Zuhörer aber stören sich daran offensichtlich nicht: Sie spenden reichlich Applaus - und wandern vermutlich zahlreich in die Stadthalle weiter.

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