Grafing:Ergreifende Seelenmusik

Grafing: Höhepunkte emotionaler Übereinstimmung beschert das "Diogenes-Quartett" dem Publikum im Grafinger Rathaus.

Höhepunkte emotionaler Übereinstimmung beschert das "Diogenes-Quartett" dem Publikum im Grafinger Rathaus.

(Foto: Christian Endt)

Das "Diogenes-Quartett" überzeugt beim Rathauskonzert in Grafing mit einem wunderbar gestalteten Programm

Von Claus Regnault, Grafing

Zu einem denkwürdigen Konzertabend hatte Friedhelm Haenisch, der Organisator der Grafinger Rathauskonzerte, am Sonntag wieder einmal das Streichquartett Diogenes eingeladen. Im Gepäck hatten Stefan Kirpal (Violine), Gundula Kirpal (zweite Violine), Alba Gonzàlez i Becerra (Viola) und Stephen Ristau (Violoncello) ein wunderbar gestaltetes Programm: das Quartett op. 18 Nr. 6 B-Dur von Ludwig van Beethoven, die "Kreutzer-Sonate" von Leos Janácek und, nach der Pause, das Streichquartett Nr. 1 op. 41/1 a-moll von Robert Schumann.

Das Beethoven-Quartett aus der Reihe der sechs dem Fürsten Lobkowitz gewidmeten Streichquartette, die dem Komponisten immerhin eine jährliche Apanage von 600 Gulden einbrachten, ist in den ersten drei Sätzen eine eher musikantisch-spielerische Musik, aus der das Scherzo, auf raffinierte Weise mit der rhythmischen Doppeldeutigkeit von sechs Achteln in einem Takt spielend, die durch Synkopen und Akzente noch zusätzlich durcheinander gewürfelt werden, herausragt. Das Hauptgewicht erhält das Rondo-Finale mit dem Titel "La Malinconia", dessen zweimal aufgegriffene Adagio-Einleitung Melancholie sowohl als grund-und ziellose Traurigkeit wie als unmotivierte lustlose Lebendigkeit wiederzugeben scheint, die durch die scheinbare Lustigkeit der Allegro-Teile in einen bemühten Tanzcharakter geführt wird. Nicht umsonst vermutet man hier einen autobiografischen Hintergrund. Das Diogenes-Quartett steigerte sich im Scherzo zu beeindruckender Brillanz, gab auch dem Finale den spürbar subjektiven Charakter.

Das Janácek-Quartett ist Musik ergreifender Empathie: Der Komponist hatte Tolstois Bild der tragischen Heldin seines Romans "Die Kreutzer-Sonate, der "armen gequälten, geschlagenen und erschlagenen Frau" im Sinne. Seine Musik ist in ihrer kürzelhaften, sprachnahen Gestaltung eine fast schmerzhafte musikalische Grenzerfahrung des Mitleidens. Die Diogenes-Musiker brachten dies interpretatorisch überzeugend zur Geltung.

Das Schumann-Quartett ist reine Seelenmusik, und so wurde sie auch von dem Ensemble mit begeisternder Innigkeit interpretiert. Hier ereignete sich die Verschmelzung der vier Stimmen zum Höhepunkt der emotionalen Übereinstimmung. Das Grafinger Publikum erlebte hier eine Interpretation von solcher Vollkommenheit, dass es erst nach einer Pause der Stille seiner nachhaltigen Begeisterung mit lang anhaltendem Beifall Ausdruck verleihen konnte.

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