Grafing:Erfolgreiches Kabarett-Kleeblatt

Grafing: Tano Bokämper in seiner Rolle als rechtswählender Nörgel-Bayer - kein Thema ist vor ihm sicher.

Tano Bokämper in seiner Rolle als rechtswählender Nörgel-Bayer - kein Thema ist vor ihm sicher.

(Foto: Endt)

Vier recht gegensätzliche Künstler begeistern bei der "Mixed Show" in der Grafinger Turmstube

Von Annalena Ehrlicher, Grafing

Schallendes Gelächter lässt die Turmstube Grafing erbeben, als "Habe die Ehre"-Star Christine Eixenberger ihren Auftritt hat. Seit Wochen schicke sie korrigierte Facebook-Kommentare an rechte Hetzer zurück. "Der ganze Bua a Depp", lautet das Fazit der Kabarettistin meistens - wobei sie sich im nächsten Satz korrigiert: "Ah, nein, ich bin ja Grundschullehrerin. Ich sage natürlich: Das kannst du besser." Eixinger ist die vierte Künstlerin der Mixed Show "Vier im Turm" in der Grafinger Turmstube. Nach dem furiosen Auftakt des Programms vor vier Wochen, gelingt der Anschluss reibungslos: Die Stimmung ist bereits blendend, als die 28-Jährige die Bühne betritt. Ihr Auftritt ist eine Kurzversion ihres Soloprogramms "Lernbelästigung", worin sie ihre Eindrücke als Grundschullehrerin in beißende Anekdoten verpackt. Ob die Bayernhymne gesungen werden soll, der kleine Basti ihr Hirnwust schenkt oder sie Goethes Hexen-Einmaleins auf das Kultusministerium ummünzt - Eixenberger macht Kabarett vom Feinsten.

Sebastian Schlagenhaufer, künstlerischer Leiter der Stadthalle, ist erleichtert über die Entwicklung des Abends: Neu ist das Programm noch und der Vertrauensvorschuss, den er von Seiten des Publikums - die Turmstube ist ausverkauft - sowie von den auftretenden Künstlern erhält, begeistert ihn: "Natürlich bin ich froh, dass wir ausverkauft sind", sagt er. Das Tolle an der Mixed Show? "Die Abwechslung! Man merkt ja, dass das Publikum das genießt", antwortet er. Ferdinand Maurer von der Kleinkunstbühne Markt Schwaben führt wieder als Moderator durch den Abend. Die beiden kennen sich: "Ich weiß, dass ich mich auf ihn verlassen kann", so Schlagenhaufer.

Als erster Akt des Abends betritt Liedermacherin Edeltraud Rey aus Jakobneuharting die Bühne. Besonderer Clou ihres Auftritts: Sie fordert die Leute im Publikum, deren "Muttersprache nicht Bairisch ist", auf, sich ein Übersetzungsblatt zu nehmen, da ihre Lieder sonst nur schwer verständlich seien. Die Lieder der 52-Jährigen handeln von Hypochonder-Ehemännern, "greislichen" Tanten und verqueren Familien, von Fast Food und dem Sprachwandel im Baierischen. Wenn so "ois easy" läuft in Jakobneuharting, alias "Checker-City", lasse sie es nicht nehmen, darüber ein Lied zu schreiben. Bei ihrem letzten Lied schafft sie es sogar, das Publikum zum Klatschen und Mitsingen zu bringen.

Schwerer hat es der Münchener Kabarettist Tano Bokämper mit seinem beißend schwarzen Humor. In seiner Bühnenrolle als rechtswählender Nörgel-Bayer poltert er zu Beginn seines Auftritts: "Ich kann ja mit Polit-Kabarett nix anfangen - ich hab 'ne recht starke Meinung, und die lass ich mir von Fakten nicht torpedieren!" Bokämper wagt einen Rundumschlag: Von Fernsehserien wie "Das Dschungelcamp" über die deutsche Neurose, allen Berufen englisch tönende Namen zu geben, bis hin zur "Islamisierung des Abendlandes" ist nichts sicher vor ihm. Wenn der Humor allzu beißend wird, bleibt dem Publikum das Lachen im Hals stecken und das zunächst verschämte Schweigen löst sich erst, wenn in einer Ecke doch das Gekicher losgeht. Und irgendwann geht es immer los: Denn Bokämper ist als "Grattler" urkomisch. Und spätestens, wenn er in seiner Rolle die Preußen auf die Schippe nimmt, ist das Publikum ganz auf seiner Seite.

Nach der Pause sorgt der Münchener Künstler Alex Krigkos, alias Kostas, für Stimmung: Grieche sei er tatsächlich und zusätzlich habe er mit 19 Jahren sogenanntes Erwachsenen-ADHS diagnostiziert bekommen. "Also dachte ich mir: Zwei Klischees hab' ich schon, dann mach ich's gleich ganz rund" - und studierte Sozialpädagogik. Nicht ganz so niederträchtig wie Bokämper, ist seine Art für das Publikum zugänglicher, die Lachsalven explodieren ohne schlechtes Gewissen, wenn "Kostas" die abrupte Entwicklung des zwölfjährigen Michi zu Voll-Gangster "Mike" schildert. Sein Programm kommt frisch aus einem Jugendzentrum in München und von seiner Bemerkung an, er arbeite dort mit den "liebsten Geschöpfen des Planeten", nämlich mit Teenagern, biegt sich die Turmstube vor Gelächter. Fließend wechselt er zwischen Hochdeutsch, Baierisch und Straßen-Kreol, der Mischsprache, derer sich seine Jugendlichen heute gerne mal bedienen: "Fünf Sprachen in einem Satz - das schafft die Bayerische Hauptschule nicht, auch wenn sie heute Mittelschule heißt", ätzt der Münchener. Großes Gelächter erntet auch sein Vorschlag, die klassische Literatur "durchzugangstern". Wie das aussehen könnte, macht er vor, indem er Edgar Allan Poes episches Gedicht "Der Rabe" im Slang vorträgt. Sicher nicht ganz jugendfrei, aber dafür brüllend komisch schließt er damit seinen Auftritt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: